Drewermann, Wozu Religion?

Die Auseinandersetzungen in allen möglichen Teilen der Welt lassen bei nicht zum Fundalismus neigenden Bürgern jeglicher traditionell religiöser Ausrichtung vermehrt den Gedanken aufkommen, ob es zum Wohle der Gesellschaft nicht besser wäre, wenn die Menschen ohne Religion auskämen. Auch der streitbare Theologe Eugen Drewermann ist im Gespräch mit dem Publizisten Jürgen Hoeren davon überzeugt, dass der gegenwärtig im Namen der Religion geführte "Krieg der Kulturen« nicht weitergehen darf. Aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber der Amtskirche und weil er seine abweichenden Meinungen nicht korrigieren wollte, entzog man ihm 1991 die kirchliche Lehrerlaubnis, es folgte ein Predigtverbot und die Suspension vom Priesteramt. Er lehrte darauf Soziologie und Kulturanthropologie an der Gesamthochschule in Paderborn und hielt wöchentliche Wortgottesdienste in einem Gymnasium. Er sieht in der aktualisierten Neuauflage seines Buchs aus dem Jahr 2003 die Aufgabe der Religion darin, nicht zu spalten oder zu verletzen, sondern zu integrieren. Er glaubt, dass Menschen heute Religion dringlicher denn je benötigen, da seitens der Naturwissenschaften die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Woher und Wohin nicht beantworten werden können.

"Die Religion in all ihren Formen ist notwendig, weil mit dem Menschsein ein Problem auftaucht, das in der gesamten Natur keine Lösung findet. Nur die Religion kann dem einzelnen Menschen sagen, dass er berechtigt ist zu sein. Das Universum meint ihn nicht, dem Kosmos ist sein Dasein gleichgültig, und die Gesellschaft interessiert sich für ihn allenfalls als Produzenten und Reproduzenten. Nur die Religion versichert dem Menschen, dass da ein Gott sei, der möchte, dass es ihn gibt, der bei ihm ist in den Stunden der Einsamkeit und dessen Güte die Sinnlosigkeit und die Schuld aus unserem Leben nimmt. Die Religion verhilft zu einem Vertrauen, das den elenden "Kampf ums Dasein" erübrigt und uns anziehen lässt den "neuen Menschen", um mit dem Apostel Paulus zu sprechen. Endlich verlassen wir den Schlachthof der Geschichte, in dem wir uns allzu lange gequält und geplagt haben." (Eugen Drewermann). Ein immer noch streitbarer Mann.

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