Eisenhauer, Weil ich ein Dicker bin

Bertram Eisenhauer als mollig zu bezeichnen, trifft das Problem nicht, denn der FAS-Redakteur ist nicht nur „gut gepolstert“, sondern 6XL-dick. Dabei war er nicht immer fett. Als Abiturient hätte man ihn, wie er sagt, durchaus als mollig bezeichnen können, doch in den folgenden drei Jahrzehnten nahm er erst zu, dann mehrmals kräftig ab, aber nur um daraufhin ein neues abermals höheres Gewicht auf die Waage zu bringen. „Eines Tages“, so erzählt er, „bin ich einfach aufgeplatzt, wie eine Bratwurst, der es in der Pfanne zu heiß wird.“ Wenn er heute zu Gesprächen eingeladen wird, müssen sich seine Gesprächspartner - zum Beispiel beim NDR oder im SWR Nachtcafé, das am 19. Februar 2016 um 22 Uhr im Dritten zu sehen ist - schon etwas einfallen lassen, da die meisten Sitzmöbel auf maximal 130 Kilogramm ausgelegt sind - und nicht auf die 180 Kilo, die Bertram Eisenhauer täglich mit sich herumschleppen muss.

Vieles, bekennt er, sei ihm erst im Rahmen seines Buchprojektes klar geworden. „Es ist, als wenn man einen zweiten Menschen auf den Bauch gebunden hat. Man plant seinen Tag von Rastplatz zu Rastplatz“. Unverblümt geht er darin seiner Langzeitfettleibigkeit auf den Grund und beschreibt - ehrlich bis zur Schmerzgrenze - wie der alles beherrschende Gedanke an Essen sein Leben beeinflusst: von der Wahl des Restaurants anhand der Portionsgrößen bis zu den schreckgeweiteten Augen des Gastwirts, wenn er aufs "All-you-can-eat"- Buffet zustrebt.

Dicksein macht einsam. „Wo willst Du hin, wenn Dir nach 200 Metern die Puste ausgeht?“ Er will über ein Jahr wieder abnehmen, um nach Jahren als "Fetter" wieder am Leben der anderen teilhaben zu können. Da hilft ein banaler Diätplan nicht. Für Eisenhauer ist es die Beschreibung einer Sucht und ihrer Folgen, denn Übergewicht führt zum Verlust von fast allem, was man Leben nennt - vom Zungenkuss bis zum Sonnenuntergang und den eigenen Kindern.

Deshalb ist Abnehmen für ihn auch viel mehr als Ernährungsumstellung und Sport. Doch mit dem Abnehmprogramm mit den unterschiedlichen Geschmacksrichtungen der Nahrungsersatzpulver-Drinks verliert auch das Leben für Eisenhauer plötzlich an Fülle. „Schnell fühlt man sich als Versager“, sagt er, auch angesichts der Bilder von schönen, schlanken und sportlichen Menschen im Fernsehen und im Stadtbild. Schon der Hosenkauf entpuppt sich als Spießrutenlauf, denn Eisenhauer passt in keine Umkleidekabine. Hat sich der Redaktionsleiter nicht im Griff? „Dem Dicken glaubt man ansehen zu können, dass er etwas verkehrt macht“ sagt er betrübt.

Also macht er sein Problem öffentlich, indem er zuerst in einer wöchentlichen Kolumne seiner Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung seine Situation schildert – mit dem Er- und Bekenntnis, dass er sein Ziel, 40 Kilogramm abzuspecken, nicht erreicht hat. Eine spannende Lektüre.

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