Kröger, Havarie

Kennen Sie diese langzeitbelichteten Fotos, die leuchtende Punkte in ein Webwerk aus schimmernden Fäden verwandeln? Merle Krögers neuer Roman vollführt etwas Ähnliches. In schnell wechselnden Bezugsrahmen erlebt man zwei Nächte und anderthalb schicksalhafte Stunden eines Tages auf dem Mittelmeer. Da sieht jede Figur nicht nur die für sie wahre und universelle Version der Ereignisse, sondern bringt auch ein eigenes Stück Geschichte mit in die Geschichte. Es entsteht ein Mosaik aus Fährten durch Zeit und Raum, und für einen Moment blitzen sonst unsichtbare Verknüpfungen auf:

Ja, so spüren lebendige, ringende, wünschende, von den Verhältnissen gebeutelte Menschen die in ihre Kultur eingravierten Narben des Weltgeschehens. Ein Roman noir mit ganz eigenem Rhythmus, ein messerscharfes Porträt heutiger Lebensweisen und ein seetüchtiger Politthriller. In einer windigen Nacht steigen zwölf Männer in ein Boot, versuchen Cartagena zu erreichen. Unter dem hohen Sternenhimmel zieht majestätisch ein Kreuzfahrtschiff dahin. Ein deutscher Frachter verlässt den algerischen Hafen mit Kurs auf Dublin. Und die spanische Küstenwache hält sich bereit. – Ein Meer, vier Schiffe, verschiedene Perspektiven. Merle Kröger gelang mit ihrem Buch ein spannend geschriebener Blick auf das, was sich noch immer im Mittelmeer abspielt. Gerade wurde sie dafür mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet.

(c) Magazin Frankfurt, 2024