Manotti, Zügellos

Eine Geschichte rund ums Verlieren: In Longchamp verlieren Pferde das Rennen und Wetter ihr Geld. In Paris verliert der Präsident der PAMA seinen Posten und Commissaire Daquin verliert einen Freund. Sein Inspector Romero verliert eine Informantin, weil er nicht schnell genug aus dem Bett gekommen ist und die smarte PR-Managerin Agathe Renouard verliert den Rest ihrer Unschuld, die DDR-Regierung verliert die Kontrolle, gewisse Aktien verlieren an Wert. Da niemand gerne verliert, gehen manche über Leichen, um ihren Einsatz zu retten…

Dominique Manottis rasanter Roman noir spielt im Paris im Sommer 1989: Der Ostblock wankt, Strippenzieher rüsten für ein neues Europa, und dank Versicherungsschwindel und Immobiliendeals haben die üblichen Gewinner die Nase vorn. Doch nichts hält ewig. Der Sommer 1989 bringt in Paris nicht nur die heimische Wirtschaft in Schwung:

Die Mitterrand-Ära versöhnt die politische Linke mit der kapitalistischen Profitrationalität, die Korruption boomt. Und die sich ankündigende Öffnung des Eisernen Vorhangs weckt die Gier auf neue Märkte und schnelles Geld. Agathe Renouard und ihr Protegé Nicolas Berger leiten die PR-Abteilung des Versicherungskonzerns PAMA. Sie sind entschlossen, zu den Gewinnern zu gehören. Aber haben sie die richtigen Allianzen dafür? Commissaire Daquin vom Drogendezernat wird hellhörig, als beim Pferderennen eine Informantin ermordet wird und auf Pariser Partys sagenhafte Mengen Koks auftauchen. Er mobilisiert sein Inspektorenteam und geht den spärlichen Hinweisen nach. Auf einmal überschlagen sich die Ereignisse: Rennställe gehen in Flammen auf, Pferde sterben, Menschen ebenfalls. Dann fällt der smarte Nicolas Berger einer Autoexplosion zum Opfer. Gibt es eine Verbindung zwischen der PAMA und Pariser Immobilienspekulationen?

Die heute 73-jährige Dominique Manotti begann erst vor gut zwei Jahrzehnten mit dem Schreiben und veröffentlichte seither acht Romane. Ihre Bezugspunkte sind der amerikanische Schriftsteller James Ellroy, die neuzeitliche Wirtschaftsgeschichte und die 68er-Bewegung. Diese ungewöhnliche Kombination begründet Manottis dichten, kühlen, unpathetischen Stil. Als promovierte Historikerin lehrte sie an verschiedenen Pariser Universitäten Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, war als Gewerkschafterin in der CFDT aktiv und leitete als Generalsekretärin deren Pariser Sektion. Ihr Werk erhielt zahlreiche Literaturpreise. Während man in Deutschland oft moralinsaure sozialkritische Politkrimis vorgesetzt bekommt- oft von desillusionierten Politikern - und Autoren wie Donna Leon immer wieder ansatzweise das Versagen oder Mitspielen der Politik in ihren Büchern aufblitzen lässt, schafft es Dominique Manotti mit ihren Büchern kenntnisreich und unprätentiös an real existierenden Missständen orientierte Fälle aufzuklären und den Leser zum Nachdenken zu animieren. Das findet man leider nicht oft auf dem überbordenden Büchermarkt: Anspruchsvolle und spannende Lektüre zugleich.

(c) Magazin Frankfurt, 2024