Glyphosat, Hopfen und Malz - Gott erhalt's?

Gerade wegen des deutschen Reinheitsgebots, das seit 500 Jahren über das deutsche Bier wacht, glauben viele, dass sie guten Gewissens zum Bier greifen können. Doch es besteht Gefahr. Ausgerechnet das Lieblingsgetränk vieler Deutscher ist mit dem Pestizid Glyphosat belastet, wie ein gerade veröffentlichter Test des Umweltinstituts München offenbart. Das Pestizid steht unter dringendem Krebsverdacht und zudem könnte es ins Hormonsystem eingreifen und die Fruchtbarkeit schädigen. Ein Labor hatte im Auftrag des Umweltinstituts Bier der 14 beliebtesten Marken Deutschlands auf Spuren des Unkrautvernichters hin untersucht und war bei jedem getesteten Produkt fündig geworden.

Das in den 1970er Jahren von dem Saatgut- und Herbizid-Riesen Monsanto, der auch beim Saatgut eine unrühmliche Rolle spielt, als "Roundup" entwickelte Glyphosat, ist der mit Abstand am häufigsten eingesetzte Pestizidwirkstoff in Deutschland - rund 5.400 Tonnen davon bringen deutsche Bauern jährlich auf ihre Felder. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO ist das Totalherbizid erbgutschädigend und "wahrscheinlich krebserregend". Die im Bier gemessenen Werte lagen zwischen 0,46 und 29,74 Mikrogramm pro Liter und damit im Extremfall fast 300-fach über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser.

Während Biere wie Warsteiner , Hasseröder und Jever Pils mit Werten über 20 Mikrogramm die höchsten Belastungen zeigten, wiesen Bitburger Pils, Beck's Pils, Paulaner Weißbier, Augustiner Helles und Franziskaner Weißbier Belastungen von unter 1 Mikrogramm, was aber immer noch bis 7fach höher als beim Grenzwert für Trinkwasser lag.

Über den weiteren Einsatz des lukrativen Wirkstoffs wird gerade heftig diskutiert, wobei Industrie-Lobbyisten eine nicht unwichtige Rolle spielen. Auch wenn die EU-Lebensmittelbehörde Efsa zu dem Schluss kommt, dass eine Krebsgefahr unwahrscheinlich sei, kritisieren Forscher diese Entscheidung als "wissenschaftlich unakzeptabel". Doch die Lobby kämpft weiter, da die EU-Zulassung im Sommer ausläuft und die EU-Kommission voraussichtlich schon im März 2016 über eine neue Genehmigung für weitere zehn Jahre entscheiden muss.

Durch die hohen Einsatzmengen in der Landwirtschaft finden sich Glyphosatrückstände inzwischen fast überall. Den Weg ins Bier könnte das Pestizid laut Umweltinstitut sowohl durch den verwendeten Hopfen wie durch die Braugerste und das andere verwendete Getreide finden, da im konventionellen Getreideanbau der massenweise Einsatz von Glyphosat üblich ist. Zwar ist bei Getreide, das für Brauzwecke vorgesehen ist, der Einsatz von Glyphosat zur Beschleunigung des Reifeprozesses kurz vor der Ernte verboten, da die Keimfähigkeit des Getreides sonst stark eingeschränkt wäre und sich daraus kein Malz mehr gewinnen ließe, doch ist Stoppelbehandlung und der Einsatz nach der Ernte und vor oder kurz nach der Aussaat weiterhin erlaubt. Hopfen, Gerste und Weizen lassen sich aber auch ohne Glyphosat anbauen. Dabei appelliert das Umweltinstitut an die Brauereien, zu prüfen, wie Glyphosat ins Bier gelangen konnte und sicherzustellen, dass die Produkte künftig frei von Pestizidrückständen sind. Das Brauwasser unterliegt der Trinkwasserverordnung und muss in Deutschland einem Grenzwert von 0,1 µg Glyphosat pro Liter Wasser genügen.

Doch es gibt auch beruhigende Stimmen. "Um gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat aufzunehmen, müsste ein Erwachsener am Tag rund 1.000 Liter Bier trinken", meldet sich das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zu Wort und sieht keine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher. Auch CSU-Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hält Glyphosat-Rückstände in Lebensmitteln für unbedenklich und der Bayerische Brauerbund sieht die Branche zu Unrecht an den Pranger gestellt. Der Ruf des deutschen Biers sei untadelig und es werde als Kampagnenopfer gegen Glyphosat missbraucht, meldet man sich zu Wort.

Dennoch fordert das Umweltinstitut weiter Aktion von den Brauereien. "Wir appellieren an die Brauereien, ihre Produkte und Zutaten jetzt genau zu überprüfen. Sie müssen klären, wie Glyphosat in das Bier gelangen konnte und in Zukunft sicherstellen, dass ihre Produkte frei von Pestizidrückständen sind", forderte die Biologin. Das Umweltinstitut startete heute eine Online-Aktion, mit der sich Verbraucherinnen und Verbraucher direkt an die Hersteller der getesteten Biere wenden können. Gefordert sei aber auch die Politik: Die Bundesregierung müsse auf europäischer Ebene im März gegen eine erneute Zulassung von Glyphosat stimmen.

bei Amazon.de bestellen

(c) Magazin Frankfurt, 2020