Zimmermann, Die Soldaten Bayrischen Staatsoper

„Gestern, heute und morgen“ definierte Bernd Alois Zimmermann die Handlungszeit seiner 1965 in Köln uraufgeführten Oper nach dem Drama des Sturm und Drang-Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz. Schon Lenz war der Theaterästhetik seiner Zeit weit voraus und propagierte in seinen theoretischen Schriften die Auflösung der Einheit von Zeit, Ort und Handlung. Zimmermann schuf ein multimediales Musiktheater, bei dem sich durch das Neben- und Miteinander von riesigem Orchester, Bühnenmusik, Jazz-Combo, Elektronik, Tonband und Lautsprechern und durch die Mittel von Filmprojektion und Simultanbühne Handlungsebenen überlagern und Einzelschicksale sich in einem größeren Panorama der Zerstörung, von Vergewaltigung, Selbstmord und Mord spiegeln. Das Bürgermädchen Marie Wesener wechselt von Verehrer zu Verehrer, allesamt aus der Reihe der Offiziere und Soldaten, bis ihr der Ruf der Flatterhaftigkeit anhängt und sie zum Freiwild für die männliche Lust wird.

Sie endet als Hure und Bettlerin. Ihr Fall kulminiert in Schreckensvisionen einer Jahrhunderte überspannenden Verrohung des Menschen, in das apokalyptische Bild einer endlosen Spirale sich wiederholender Zwänge und der Gewalttätigkeit des Menschen. Nach über 40 Jahren bringt die Bayrische Staatsoper in diesen Tagen die verstörende Oper Zimmermanns auf die Bühne. Ein Werk, das nach wie vor brennend aktuell ist und von Andreas Kriegenburg schlüssig im genialen Bühnenbild von Harald B. Thor inszeniert wurde. Hinreisend - die Kanadierin Barbara Hannigan in der Rolle der Marie.

(c) Magazin Frankfurt, 2024