Aarhus - Dänemarks Hotspot für Kultur und Essen

Europas Kulturhauptstadt 2017

Zusammen mit dem zypriotischen Paphos ist die dänische Universitätsstadt Arhus in diesem Jahr Kulturhauptstadt Europas. Mit einer Lichtershow startete die Stadt, nachdem Königin Margrethe am 21. Januar bei einer Feier im Konzerthaus den offiziellen Startschuss für das Projekt "Los geht's, Aarhus!" gab. Nach dem Festakt begleiteten Zehntausende Bewohner und Besucher der Stadt die rund 4000 leuchtenden kleinen Wikingerschiffen und sechs großen Booten auf ihrem Umzug durch die Innenstadt bis zum Hafen, wo das Fest mit einem Feuerwerk und einer Musik- und Lichtershow endete. Unser Autor Michael Ritter hat sich das Kunstspektakel angesehen und die besten Restaurants von Aarhus ausprobiert.

Die lange Reise in den Norden Jütlands

Es ist gar nicht so leicht zu erreichen, der weit außerhalb der Stadt liegende Flughafen wird nur von Kopenhagen aus regelmäßig mit Propellermaschinen angeflogen. Meist lohnt es sich aber dennoch, denn die Fahrt mit der Bahn bietet zwar ab und zu ein paar schöne Ausblicke, dauert aber von Hamburg über Flensburg mindestens 4 ½ Stunden.

Nur zweimal täglich verkehrt ein direkter IC während sonst Regionalzüge mit Umsteigen für den Service sorgen. Mit dem PKW erreicht man die Stadt in Mitteljütland über die Autobahn eine Stunde schneller und hat dabei Gelegenheit ein paar Stopps entlang der malerischen Strecke einzulegen.

Das ARoS - Die Kulturhochburg

Die Aarhuser feiern gerne. Mit knapp 320.000 Bewohnern ist Aarhus nach Kopenhagen Dänemarks größte Stadt. Als wir die Stadt besuchten, galt unser erster Besuch dem ARoS, dem Kunstmuseum der Stadt. Manche nutzen den ARoS Torvet, der mitten durchs Treppenhaus führt und Einblicke in die Sammlung bietet, andere machen einen Stopp im Art Café, wo manchmal junge Bands spielen, andere biegen in die Galerien ab, die mit beeindruckenden Ausstellungen wie Robert Mapplethorpe – On The Edge und Hold Your Beliefs Lightly mit Grayson Perry dem Besuchern ein eindrucksvolles Programm bieten. Sind die Arbeiten des 1989 im Alter von nur 42 Jahren an Aids verstorbenen Mapplethorpe, dessen streng komponierten Aufnahmen sinnlicher Frauen und nackter Männer mit wohlproportionierten, athletischen Körpern schon vielen Besichern vertraut, dürfte die Einzelausstellung des britischen Turner Prize-Gewinners von 2003 vielen unbekannt gewesen sein, denn die schelmischen, provokanten und schönen Kunstwerke des 56-jährige Grayson Perry wurden erstmals in Dänemark gezeigt. Die Vasen des als „Keramiker in Frauenkleidung“ bekannten Künstlers ähneln auf den ersten Blick zwar herkömmlicher Keramik, doch entdeckt man schnell provozierende Aussagen, Motive aus Klatschmagazinen und kühne Bilder. Auch Perrys gewebte Wandteppiche erzählen von Geschichten, die der Künstler bei seinen Recherchen sammelte. Mit mehr als 835.000 Besuchern konnte man damit 2016 einen neuen Besucherrekord erzielen.

Dabei hat das ARoS die Schwelle bewusst niedrig gelegt. Zahlreiche Besucher kommen zu den abendlichen Veranstaltungen am Mittwoch bis 22 Uhr oder schauen im ART Café vorbei, wo es für rund 21 Euro ein leckeres Tagesgericht und ein Glas Wein oder Bier gibt. Ja – das Preisniveau in Aarhus ist – wie überall in Dänemark recht hoch.

Wie eine neue Untersuchung ergab, ist Dänemark idas teuerste Land der Europäischen Union. Verglichen mit Deutschland zahlt man hier um die 40 Prozent mehr. Doch ein Trost bleibt: nicht-EU-Länder wie die Schweiz und Norwegen sind noch um einiges teurer.

Auf höherem gastronomischen Niveau speist man in der ARoS FOOD HALL, dem höchstgelegenen Restaurant der Stadt, wo Küchenchef Bjørn Madsen seine Gäste bei herrlicher Aussicht über Aarhus mit anspruchsvoller von den Jahreszeiten inspirierter Küche verwöhnt, bei der dänische Spezialitäten wie Strandkräuter, Sauerampfer und Sanddorn eine wichtige Rolle spielen.

Viele Besucher kommen ins Museum, um Ron Mueck's Boy zu sehen. Die Skulptur des australischen Künstlers ist in den letzten Jahren zu einem der Wahrzeichen des Museums geworden. Mit 4,5 Metern Höhe und einem Gewicht von einer halben Tonne, kauert der Junge im Foyer. Erstmals zu sehen war die mit viel Liebe zum Detail gestaltetet hyperrealistische Glasfaserskulptur im Jahr 2000 im Londoner Millennium Dome, ein Jahr später auf der Biennale von Venedig, wo das ARoS sie erwarb. Für die Hockstellung hatten Mueck die Aborigines seiner Heimat inspiriert, die so die Ebene ihrer Heimat aufmerksam nach Wild absuchen.

Auf keinen Fall versäumen darf man aber den Besuch auf dem Dach, wo der bekannte dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson 2011 Your rainbow panorama schuf, einen runden, 150 m langen und drei Meter breiten Gehweg aus Glas in allen Farben des Spektrums, der auf schlanken Säulen auf dem Dach steht und einen Spaziergang für die Sinne mit phantastischen Blicken auf die Stadt und die Bucht bietet.

Europäische Gastronomieregion 2017

Vielleicht lag es daran, dass wir uns zum Food-Festival einen Eindruck davon verschaffen wollten, wie Aarhus seine Aktivitäten als Europäische Gastronomieregion 2017 plant. Bei unserem Besuch war die Stadt voller Menschen und voller Aktivitäten. Am Bispetorvet-Platz am Dom und dem Aarhus Theater im Herzen der Altstadt hatte man eine große Spiegelwand und am Boden eine nachgestaltete Hausfassade aufgebaut. Kinder und Erwachsene klettern begeistert darin herum und ihre Freunde und Familien halten mit eindrucksvollen Fotos ihre Kletterkünste im Bild fest. Doch auch sonst finden überall in der Stadt Attraktionen für Bewohner und Gäste statt: hier ein Jazzkonzert, dort ein Jongleur oder ein Straßenmusikant. Die Stadt lebt nicht nur durch die vielen Studenten, die den Spätsommertag bei einem Glas Bier oder Wein an den Ständen oder auf den Terrassen der Gaststätten genießen.

Wie viele andere Reisen, war auch der Besuch von Aarhus mit Essen verbunden. Die Neue Nordische Küche hat nicht nur durch Küchenchefs wie Rene Rezepi vom Noma in Kopenhagen einen ausgezeichneten Ruf. Viele lieben diese klare und minimalistisch daherkommende Küche. Manchmal hilft schon eine abenteuerfreundliche Grundstimmung, wenn es darum geht, die reduzierte Form des Essgenuss zu zelebrieren.

Es ist noch gar nicht so lang her, dass Michelin-Tester hier im Norden nur in den Hauptstädten auf die Suche nach den besten Restaurants gingen. Erst Ende 2015 kam mit dem Nordic Guide 2016 erstmals ein Führer heraus, der das Kopenhagener Geranium und das Maaemo in Oslo in die illustre Gruppe der 3-Sterne-Restaurants hob und auch Aarhus mit seinem Besuch beehrte und drei Restaurants mit einem der begehrten Sterne auszeichnete. Die Restaurants "Frederikshøj", "Gastromé" und "Substans" haben die neue nordische sowie die französische Küche im Angebot und zeichnen sich durch ihren klassischen, modernen und experimentierenden Charakter aus. Im 2005 eröffneten Substans legten Louise und Rene Mammen ihren Fokus auf Geschmack, Handwerkskunst und organsich erzeugte Produkte von regionalen Farmern und Herstellern. Einige Köche arbeiten dabei eng mit den Landwirten zusammen wie die Biofarm Trooldgarden , rund 20 Kilometer südlich der Stadt. Vier junge Food Entrepreneurs haben sich dabei zusammengetan, um ihre eigenen Zutaten für ihr Restaurant Sart’s im Zentrum der Stadt zu erzeugen. Einer von ihnen ist Philip Damm. Der junge Mann hat immer schon davon geträumt einen eigenen Bauernhof zu haben, keinen großen Bauernhof mit Massen von Schweinen und Kühen, sondern einen kleinere biologische Produktion, wo er Fleisch erzeugen kann, dass einzigartig im Geschmack und Qualität ist. Dafür züchtet er eine alte dänische Schweinerasse, die immer beliebter in dänischen Restaurantküchen wird. Die schwarz-weißen Tiere leben unter freiem Himmel und sie werden oft für die hausgemachten Fleisch- und Wurstwaren des Restaurant Sårt’s verwendet.

Auch für den Hausgebrauch muss man in Dänemark nicht auf lokale Produkte zu verzichten. Die Ladenkette Landmad fing 2011 mit einem Lädchen in einen kleinen Farm in Jütland an, wo sie Produkte von regionalen Anbietern verkaufen. Inzwischen hat Landmad Läden in acht Städten Dänemarks eröffnet, die sich alle das Ziel gesetzt haben, die lokale Lebensmittellandschaft ihrer Region widerzuspiegeln. Daher beziehen die lokalen Franchisenehmer, wie in dem Laden im Ausgehviertel von Aarhus Gemüse, Fleisch, Käse, Wein und Bier oft auch von Bauernhöfen und Produzenten rund um Aarhus, die den Laden beliefern.

Vom Restaurant Domestic im Latin Quartervon Aarhus waren schon die Spitzen der dänischen Gastronomiekritik begeistert über ihre Philosophie, dass das von ihnen servierte Essen auf dem Weg vom Bauernhof auf den Tisch des Restaurants so kurz wie möglich sein sollte. Echte Verfechter des 0-Kilometer-Ansatzes also. Auch im Restaurant Hærværk richtet man sich nach Saison und Region und bietet ein täglich wechselndes Menü ganz nach der Verfügbarkeit des Tages. Hinterher ist die Sct. Pauls Apotek, die beste Bar der Stadt, der Ort für einen Absacker.

Überhaupt ist die Küche in Aarhus durch lokale, frische Zutaten gekennzeichnet: frischen Fisch aus der Aarhuser Bucht, leckere lokale Delikatessen, Gemüse von der nahen Insel Samsø und Zutaten von der Halbinsel Djursland. Als Primus inter pares sieht sich dabei Wassim Hallal mit seinem Gourmet-Restaurant Frederikshøj. Der Koch, der auch ein Smørrebrød-Lokal im Herzen von Aarhus betreib und uns eine Reihe seiner unglaublich leckeren Sandwichs serviert, stammt aus dem Libanon und kam mit seinen Eltern schon als 5-jähriger nach Dänemark. Seine Küche entspricht eher der gehobenen Sterneküche, die man aus Deutschland und Frankreich kennt. Er ist der Botschafter der Europäischen Gastronomieregion 2017. 2015 gewann er den ersten dänischen Michelinstern außerhalb Kopenhagens. Inzwischen hat ihn der Brite Paul Cunningham mit zwei Sternen überholt, den wir in Aarhus beim Wettbewerb um den besten dänischen Hotdog wiedertreffen. Paul ist Küchenchef im Henne Kirkeby Kro an der jütländischen Westküste und hat auf dem Food Festival, dem größten Food Event in Nordeuropa, einen Auftritt als mexikanischer Knochenmann. Bei der Veranstaltung, bei der auch die Besucher die Hotdogs verkosten und bewerten können kann man die wichtigsten Produzenten und Küchenchefs des Landes treffen. In den vier Jahren seines Bestehens schaffen es die Organisatoren 31.000 Besucher an einem einzigen Wochenende zu begeistern.

Einen schönen Eindruck von der Küste und dem Hafen bekommt man auf einem Ausflug mit den Aarhus SeaRangers, für den man sich zuvor warm in eine gelbe Kluft einpackt, damit bei der Fahrt mit dem Speedboot nichts passiert. Sehr kenntnisreich erzählt der Ranger bei den diversen Stops auf offenem Wasser über die Tierwelt in der Bucht und mit ein bisschen Glück sieht man Seehunde und Schweinswale.

Auch in der Nähe des Strandes liegt etwas nördlich der Stadt im Wald der Sjette Frederiks Kro, wo man traditionelle dänische Gerichte in idyllischer Lage mit Blick auf Wasser und Strand genießen kann. Das tolle Restaurant liegt in einem idyllischen alten Gebäude aus dem Jahre 1826. Am Wochenende ist das leckere und üppige Frühstücksbüfett mit typisch dänischen Leckereien eine gute Alternative zum Hotelfrühstück. Man kann sich so richtig verwöhnen lassen und die tolle Auswahl an süßen dänischen Leckereien zum Nachmittags-Kaffee genießen.

Reisetipps

Anreise: mit SAS und Lufthansa bringen Sie aus Köln, Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hannover, München und Stuttgart Umsteigeverbindungen ins Herz Jütlands. Ein auf die Flüge abgestimmter Bus bringt die Gäste in 50 Minuten für rund 15 Euro ins Zentrum. Mit der Bahn hat man zwei tägliche Direktverbindungen mit dem IC um 10.53 Uhr und 14.50 Uhr. Die Nutzung der Autobahnen in Dänemark ist kostenfrei.

Unterkunft: Aarhus bietet ein relativ bescheidenes Hotel-Angebot im 3- und 4-Sternebereich. Zentral oder in Zentrumsnähe findet man zum Beispiel die Ketten Scandic und Radisson mit angenehmen modernen Häusern. Wir haben ein Zimmer im Designhotel Comwell gebucht. Das Hotel in Bahnhofsnähe bietet von seinem obersten Stockwerken einen faszinierenden Blick auf die Stadt, den Hafen und die Bucht. Die Preise für Doppelzimmer mit Frühstück liegen zwischen 130 und 180 Euro pro Nacht.

(c) Michael Ritter

(c) Magazin Frankfurt, 2020