Wein und Demokratie - Die Pfalz

Von der Sonne verwöhnt

Die Pfalz ist berühmt für ihr von der Sonne verwöhntes Klima. Kaum sind bei der Anreise die wuchtigen Chemieanlagen von Ludwigshafen passiert, öffnet sich eine üppig blühende Landschaft. Oft schmiegen sich Weinberge in die vom Rheintal sanft ansteigende Landschaft und immer wieder lockern Obstbäume und Sträucher die Felder auf.

Es ist eines der wenigen Gebiete Deutschlands, in denen auch Früchte gedeihen, die sonst den mediterranen Regionen vorbehalten bleiben.

Mit den Weinbergen steigen die Hügel dann schnell zum nahen Pfälzerwald an, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet Deutschlands. Ein Großteil davon ist Teil des Naturparks Pfälzerwald mit seiner eindrucksvollen von Buntsandsteinfelsen geprägten Landschaft.

Weindörfer entlang der Weinstraße

Schnell sind die kleinen Weindörfer erreicht, die links und rechts der Weinstraße liegen oder von ihr durchquert werden. In der Zeit der Weinlese sind viele der hübschen Winzerhöfe und Fachwerkhäuser offen und mit Blumen geschmückt, den die Winzer wissen ganz genau, was die Gäste suchen: Gemütlichkeit und guten Wein. Und von beidem hat die Region reichlich zu bieten. Über 150 Weinfeste finden zwischen Frühling und Herbst statt und auch wer auf gut Glück fährt, findet meist eine Gelegenheit zum gemütlichen Anstoßen. Viele Winzer öffnen dann ihre Höfe oder stellen in Straußwirtschaften Bänke und Tische vors Haus.

Ab Ende August kommt auch der Bitzler genannte Neue Wein auf den Tisch. Noch kein fertiger Wein, sondern Traubenmost, bei dem die alkoholische Gärung gerade begonnen hat.

Auch Asselheim liegt an der Weinstraße, doch zum Glück wurde diese auf die grüne Wiese verlegt, wo sie zwar dem Wein sehr nah ist, aber nicht die dörfliche Ruhe stört, denn mein Ziel ist das hübsche Logis-Hotel „Pfalzhotel Asselheim“ von Hotelier Stefan Charlier und seiner Familie.

Mit dem Segway durch die Weinberge

Das Vier-Sterne-Haus der französischen Logis-Hotelvereinigung bietet seinen Gästen zusammen mit Winzertochter Alexandra Eibel und Mann Manfred Segway-Touren in die Umgebung an. Inzwischen hat es sich für die Eibels zum zweiten Standbein entwickelt. Charlier nutzt ihr Angebot gerne, denn so kann er mit seinen Gästen zu seiner Schneckenfarm „Pfalzschnecke“ fahren und mit ihnen naturnah kreuz und quer durch die hügeligen Weinberge hinter dem Ort rollen.

Zu Gast in der Pfalzschnecke

Rund 60.000 Weinbergschnecken haben dort ein Zuhause auf Zeit gefunden, neben der gefleckten Weinbergschnecke auch die Burgunderschnecke. Charlier bietet Hotelgästen und anderen Interessierten in der Saison von Mai bis Oktober spannende Führungen über die Farm. Ein tief ins Erdreich eingegrabener Zaun schützt die Schnecken vor unliebsamen Eindringlingen, wie Wühlmäusen, Maulwürfen und Igeln, deren Lieblingsspeise sie sind.

Es geht ihnen nicht schlecht bei dem erfahrenen Hotelier, der ihre Leckereien wie Thymian, Mangold, Lupinen, Sonnenblumen, Spinat, Raps, Zichorien und Kohl anpflanzt und den Speiseplan ohne Pestizide mit Obst und Kalk bereichert.

Charlier ist sich sicher, dass diese ökologische Freilandhaltung seinen Tieren den nussigen Thymiangeschmack verleiht, wenn er sie schließlich in die Pfanne haut. Da ist Entschleunigung angesagt. "Weinbergschnecken haben in der Region und im Hotel eine lange Tradition", sagt er und die Nähe zu Frankreich ist in der Pfalz auch durch den der Einfluss der französischen Küche und Tafelkultur zu spüren. Fester Bestandteil jeder Führung ist ein Glas Pfalzschnecken-Secco.

Zum Schneckensüppchen ein Gläschen Wein

Ein Großteil der Schnecken wird im Oktober gesammelt, gekocht und in einen Gemüsefond eingelegt. Charlier ist gelernter Koch und zeigt in einem eigenen Kochbuch was man daraus machen kann. „Das Fleisch ist reich an Protein, aber arm an Fett und frei von Cholesterin - ideal für eine gesundheitsbewusste Ernährung", schwärmt er und bietet für den richtigen Umgang damit regelmäßig Kochkurse an.

Auf der Speisekarte des Pfalzhotels Asselheim sind Schnecken-Gerichte nicht wegzudenken. Natürlich fehlt in einem Winzerort auch ein zum Asselheimer Pfalzschnecken-Pfännchen passender Wein nicht, wie die Asselheimer St. Stephan Pfalzschnecken-Cuvée vom Weingut Gaul-Triebel.

Wellness aus der Traube

Überhaupt ist das Pfalzhotel ein gutes Ziel für Gourmets, auch wenn er nicht auf Schnecken steht. Doch für Charlier sind sie Inspiration und immer wieder findet man im Hotel Elemente, wie den Schneckenbrunnen im idyllischen Sommergarten, die das Thema aufgreifen. Früher machten an der alten Straßenkreuzung die Fuhrwerke Station, um die Pferde zu wechseln. Die Fahrer nutzten diesen Stopp meist zur Einkehr im „Scharfen Eck“. Heute ist daraus ein Genießer-Restaurant geworden, in dem der Gast verwöhnt wird. 88 Zimmer und Suiten bieten ihm Komfort auf hohem Niveau.

Im hauseigenen „Palavita Spa“ dreht sich alles um Wein-Wellness, im Pfälzer Hamam wird der Gast mit Traubenkernseife eingeseift oder - einen Raum weiter - in ein entspannendes Rotwein-Sahne-Bad gelegt. Mit alten Dauben wurde die klassische finnische Sauna zur Barriquesauna, daneben gibt es eine Winzersauna mit 60° C und ein Schorlebad für Dampffreunde.

"Kings of Kallstadt"

Wie Perlen an einer Kette reihen sich einige berühmte Weinorte entlang der Weinstraße aneinander. Einen ersten Stopp machen wir in Kallstadt. Ist Ihnen unbekannt? Macht nichts, Sie kennen sicherlich einige seiner Abkömmlinge. Dafür sorgte die Filmemacherin Simone Wedel, die ebenfalls aus dem kleinen Winzerort stammt und darüber kürzlich mit „Kings of Kallstadt“ einen Film über Pfälzer Winzer und ihre illustre US-Verwandtschaft gedreht hat. „De erschte Pälzer Blockbaschder“.

Der aus Kallstadt stammende Johann Heinrich Heinz wanderte im 19. Jahrhundert nach Pittsburgh aus. Sein Sohn Henry John versuchte den Amerikanern Meerrettich schmackhaft zu machen – und ging in die Insolvenz. Die zweite Chance nutzte er besser und wurde mit seinem Heinz Tomatenketchup steinreich. Auch sein Cousin Frederick Trump wanderte 1885 nach New York aus. Sein Sohn Fred wurde mit Immobilien zum Milliardär und sein Enkel Donald geht derzeit für die Republikaner auf die Jagd um den Präsidentensessel im Weißen Haus.

Bad Dürkheim und sein Riesenfass

Ein paar Kilometer weiter liegt Bad Dürkheim. Seit 1417 feiert man dort – damals natürlich noch ohne Bad - den Wurstmarkt. Mit über 600.000 Besuchern, die am zweiten und dritten Septemberwochenende das Fest in der kleinen 18.000-Einwohner-Stadt besuchen, ist es das größte Weinfest der Welt. Was mit Wallfahrten und einem Markt rund um die Michaeliskapelle begann, wurde über die Jahrhunderte immer beliebter. Als Attraktion baute der Weingutsbesitzer und Küfermeister Fritz Keller 1934 ein hölzernes Riesenfass mit 13,5 Metern Durchmesser.

Wenn man es füllen würde, passten 17.000 Hektoliter Wein hinein. Viel? Durchaus, denn die Jahresproduktion einer mittleren Winzergenossenschaft , wie den Winzern Herrenberg Honigsäckel aus dem Ortsteil Ungstein, würde nicht ausreichen, um das Fass zu füllen. Aber das ist alles Theorie, denn mit Wein war das Riesenfass nie gefüllt, stets aber mit munteren Zechern, die in dieser urigen Weinstube gerne einkehren.

Neustadt und die Deutsche Weinkönigin

Neustadt ist eines der wichtigsten Zentren des deutschen Weinbaus und jedes Jahr wird dort im Oktober nicht nur das zweitgrößte Weinfest der Welt gefeiert, sondern aus dem Kreis der 13 deutschen Gebietsweinköniginnen auch die Deutsche Weinkönigin gewählt, die dann für ein Jahr den deutschen Wein in aller Welt repräsentiert.

Eine demokratische Wahl, bei der die jungen Frauen zunächst ihr Know-how unter Beweis stellen und die sechs besten dann bei einer Gala im Fernsehen Spontaneität, Charme und Witz beweisen müssen. Die Beste erhält dann die Königinnenwürde, die beiden Nachplatzierten vertreten sie als Prinzessinnen auf Messen, Weinfesten und anderen Veranstaltungen.

Hambacher Schloss Wiege der Demokratie

Demokratie wird in Neustadt groß geschrieben, denn immerhin gilt das Hambacher Schloss oberhalb des gleichnamigen Stadtteils als Wiege der Deutschen Demokratie. 1832 war das der bayrischen Verwaltung als Volksfest angekündigte Treffen Ziel der ersten Demonstration für nationale Einheit und Freiheit. Über die viertägige Protestveranstaltung mit rund 30.000 Teilnehmern informiert im Schloss die eine spannende Ausstellung "Hinauf, hinauf zum Schloss!".

Sektgigant Schloss Wachenheim

Das schmucke Wachenheim mit seiner mittelalterlichen Stadtmauer und dem Schloss ist ein weiterer lohender Stopp. Schon die alten Römer wussten die Lage des Ortes zu schätzen, wovon die Reste eine Villa Rustica zeugen. Neben dem Vorzeigeweingut Dr. Bürklin-Wolf ist dort auch Schloss Wachenheim zu Hause.

So schnuckelig wie das Kulturdenkmal vermuten lässt, ist der Betrieb allerdings nicht. Sein Besitzer Nick Reh und seine Geschwister sind in aller Stille zum weltgrößten Produzenten von Sekt aufgestiegen und produzieren im Jahr rund 220 Millionen Flaschen Sekt, damit könnte man 100 Dürkheimer Riesenfässer füllen.

Deidesheim und der Saumagen

Deidesheim verbinden viele Politikinteressierte mit einem Pfälzer Traditionsgericht: dem Saumagen. Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl schleppte gerne Staatsgäste in seine Pfälzer Heimat, denen Manfred Schwarz, einst jüngster 2-Sterne-Koch der Republik, im Schwarzen Hahn des 5-Sterne-Hotels Deidesheimer Hof diese regionale Spezialität, die besser schmeckt als sie sich anhört, kredenzte. Mit Bassermann-Jordan, Reichsrat von Buhl und von Winning haben einige der besten deutschen Weingüter dort ihren Sitz.

In Siebeldingen-Birkweiler begegnen sich Pfälzerwald und Weinberge. Spitzenbetriebe wie Ökonomierat Rebholz, Dr. Wehrheim und Peter Siener sind hier zu Hause. Doch man muss nicht bei den Stars der internationalen Weinszene vorbeischauen. Auch kleine Betriebe wie Gies-Dippel haben sehr schmackhaften Riesling im Angebot. An der Wand des Weinguts zeigen Gesteinsproben das unterschiedliche Terroir der zum Pfälzerwald gelegenen Weinberge, in denen besonders gut Weißwein gedeiht.

Das Landhaus am Hirschhorn

Schon mitten im Pfälzerwald wähnt man sich ein paar Kilometer weiter im „Landhaus am Hirschhorn“ in Wilgartswiesen, ebenfalls ein Logis-Mitgliedsbetrieb. Champagner-Liebhaber dürften dort fündig werden, denn das Hotel hat eine eigene Champagner-Karte, Einige der kleinen Champagnergüter, die Hotelier Ulses mit viel Sachverstand ausgewählt hat, findet man nur hier.

Doch auch die Weinkarte mit ihrer reichen Auswahl an Pfälzer Weinen kann sich sehen lassen. Kulinarisch pflegt man eine feine Cross-Over-Küche aus klassischen Gerichten mit Pfiff und neu interpretierten Pfälzer Speisen.

Wandern zum Teufelstisch

Das Hotel mit seinen individuell gestalteten Zimmern und dem hübschen Spa-Bereich ist ein idealer Ort als Basis für lange Wanderungen im Wald oder in den Weinbergen. Zum Beispiel zum Wilgartswiesener Ortsteil Hermersbergerhof, mit 550 Metern der höchstgelegene Ort der Pfalz, wo man vom Luitpoldturm einen atemberaubenden Rundblick über Pfälzerwald, Rheintal, Schwarzwald und die nahen Vogesen genießt.

Auch eine Wanderung zum Teufelstisch, dem Wahrzeichen der waldreichen Region lohnt sich. 14 Meter hoch ragt der eindrucksvolle Pilzfelsen in die Luft und war schon früh ein idealer Ort für Sagen über den Teufel. Heute kann man sich dort im Erlebnispark sportlich betätigen.

Besuch in Landau

Im nahen Landau, sollte man auf dem Gelände der sehenswerten Landesgartenschau einen Besuch der rundum gelungenen Vinothek Par-Terre einplanen, deren Einrichtung kürzlich der Berliner Designer Michael Michalsky entworfen hat. In deren Pantheon werden die besonderen Weine der Region fast sakral gefeiert.

Im Reptilium, Deutschlands größten Reptilienzoo; führen dessen Gründer Uwe Wüstel zusammen mit Tierarzt Stephan Dreyer die Gäste in die Kunst des Insektenkochens ein. Eine überlegenswerte Alternative zur leckeren Regionalküche der Pfalz. Guten Appetit!

NB

(c) Magazin Frankfurt, 2024