Wellness Stars in Niedersachsen

Wellness wird inzwischen in Niedersachsen ganz groß geschrieben. Zwar findet man hie und da immer noch ein paar Bäder, die den Wechsel von der verordneten Kur zum selbstgewählten Wellness-Urlaub schlicht verschlafen haben, doch die meisten Bäder beschreiten in den letzten Jahren gezielt neue Wege, um den Gast in einer Wohlfühlatmosphäre willkommen zu heißen.

Um dies für den Gast nachvollziehbar zu machen, zertifiziert der Heilbäderverband Niedersachsen nach dem Vorbild Baden- Württembergs diese Bäder und vergibt, wenn sie den Vorgaben entsprechen, WELLNESS STARS. Dabei untersuchen unabhängige Prüfer Hotels, Kliniken, Sanatorien, Gesundheits- und Reha-Zentren, Thermen oder Wellness-Einrichtungen und stellen ihnen nach bestandener Kontrolle ein Siegel mit 3 bis 5 "Wellness Stars" aus, je nach Qualität der Wellness-Einrichtungen, der Anwendungen, des Personals und des Services. Inzwischen wurden bereits 12 Einrichtungen in Niedersachsen mit dem Siegel ausgezeichnet.

Ein Kindheitstraum wird für manchen Gast im Resort Baumgeflüster wahr. Klar, denn Glamping, die Wortkreuzung aus Glamour und Camping, ist DER neue Trend für Luxus im Outdoor-Bereich. Inhaberin Insa Ottenken hat dafür in Bad Zwischenahn mehrere Baumhäuser bauen lassen. „Nur feinste Qualität“, sagt sie, habe sie dafür verwendet. Morgens bringt sie den Gästen das Frühstück mit selbstgekochter Marmelade, Bio-Eier und selbstgebackenen Biobrötchen in einem Korb fast bis ans Bett.

Ausgesprochen anspruchsvoll finden das viele, weshalb sie es mit ihren Baumhaussuiten auch schon in internationale Trendmagazine wie „The New Yorker“ geschafft hat. Klar, dass das dann nicht mehr ganz der windschiefe Bau eines Teenagers werden konnte, den man nur über ein paar wacklige Strossen oder ein Seil erreicht. Doch darüber sieht man gerne hinweg, denn die Urlaubsbleibe in den Baumwipfeln ist sehr gediegen. Hinauf steigt man auf einer festen Stahltreppe und steht schon nach wenigen Metern auf der Veranda. Im Innern braucht man auf keine der Annehmlichkeiten moderner Ferienhäuser zu verzichten. Fußbodenheizung im Marmorbad sorgt für gleichmäßige Temperaturen und die Betten für insgesamt vier Personen sind mit komfortablen Matratzen ausgestattet. Fernsehen gibt es zwar keins, aber Insa Ottenken ist sicher, dass ihre Gäste gerne darauf verzichten, da der Blick aus dem Fenster die unverfälschte Natur zeigt. Für sie die reine Natur ein wichtiges Argument, wenn sie ihre Baumhäuser anbietet. Vier Suiten sind in luftiger Höhe zu buchen. „Wellness auf natürliche Art", nennt sie das, wenn sich der Gast in den 40 Quadratmetern vom Duft des unbehandelten Lärchenholz und dem sanften Gewoge der Blätter und Äste in den Schlaf wiegen lässt. Dabei schwankt das Bauwerk auf Stelzen keinesfalls hin und her. Selbst Stürme können den standfesten Bau nichts anhaben.

Bad Zwischenahn und das Moor

Bad Zwischenahn hat sich auch sonst in Sachen Wellness-Tourismus gut aufgestellt. Die angenehme Parklandschaft des Ammerlands beherbergt das Kayhauser Moor, das Bad Zwischenahn zum staatlich anerkannten Moorheilbad werden ließ. Das in Jahrtausenden gewachsene Moor und seine Naturkräfte werden im hohen Norden medizinisch genutzt. Das mit einem dichten Reet-Gürtel umgebene Zwischenahner Meer, wie der große See am Rande der Stadt genannt wird, ist der ideale Ort für die moderne Kurklinik, die dem Gast die unterschiedlichsten Anwendungen anbietet. Im Wellness am Meer gibt es zum Beispiel ein Bad in Eselsmilch in einer kupfernen Badewanne. Gekonnt und professionell wird auch die verspannteste Rückenmuskulatur wieder in Form gebracht und natürlich praktiziert man auch die typischste Anwendung der Region am Gast: das Moorbad. Dabei wird das Moor auf eine Temperatur knapp über der Körpertemperatur erwärmt und hilft bei rheumatischen Erkrankungen und Verschleiß der Stütz- und Bewegungsorgane. Auch Verspannungen, Frauenleiden und Schuppenflechte werden dadurch geheilt oder zumindest gelindert.

Die Landschaft rund um das Zwischenahner Meer und den Ort kann man erstklassig mit dem E-Bike erkunden. Ganz beliebt sind dabei Touren ins besagte Kayhauser Moor, das auch schon als Kulisse für einen Krimi diente. Hier wurde der Torf und das Moor gestochen. Dazu bediente man sich unterschiedlicher Spaten. Torf ist ein traditioneller Brennstoff aus vermodernden Pflanzenresten. Da Ökologen die Moore inzwischen als Bewahrens werte Biotope erkannt haben, ist der professionelle Torfabbau gestoppt. Das benötigte Material für die Moorbäder wird abgebaut, für die Anwendungen aufbereitet und anschließend wieder angelagert. "Das kann 10 bis 20 Jahre dauern, bis es erneut für Moorpackungen verwendet wird" verrät der Fremdenführer.

Feinschmecker kommen in Bad Zwischenahn auf ihre Kosten. Seit über 350 Jahren werden auf dem Hof der Fischerei Rabben Aale aus dem Zwischenahner Meer gefangen und geräuchert. Man schmeckt die langjährige Erfahrung, die der Räucheraal widerspiegelt, der dort in einem uralten Räucherofen nach ebenso alter Tradition schonend und scheinbar völlig ohne Zeitdruck, Chemie, künstliche Zusätze, Aromen und Duftstoffe auf Erlen- und Buchenholzfeuer handgeräuchert wird. Da sieht man wieder, dass es gar nicht viel braucht, um richtig gute Produkte zu erzeugen. Traditionell genossen wird auch im Spieker, einem alten Ammerländer Bauernhaus. Auch dort steht der Räucheraal oder „Ammerländer Smoortaal“, wie er hier im Spieker heißt, an der Spitze der deftigen Spezialitäten. Das Räuchern der Aale, vor allem die Zusammensetzung der Holzsorten, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Damit er gut runtergeht empfiehlt man "Vor dem Aal einen Schnaps - zum Aal einen Schnaps - nach dem Aal einen Schnaps ... aus dem Zinnlöffel!"

Der Ammerländer Löffeltrunk ist Tradition. Dabei spricht der Hausherr den Gast an: „Ick seh Di“ (Ich sehe dich). Der antwortet: „Dat freit mi“ (das freut mich). Der Hausherr hebt seinen Löffel dem Gast entgegen: „Ick sup di to“ (Ich trinke dir zu). Der Gast tut das gleiche: „Dat do“ (Tue das). Prost!“ Der Löffel wird nun geleert und sorgfältig abgeleckt. Man muss das tun; denn ... Doch vorher bedankt sich der Hausherr bei seinem Gast, dass er ihm die Freude gemacht hat, mit ihm zu trinken: „Ick heb Di tosapen“ (Ich habe dir zugetrunken). Während der Gast seinen Löffel wieder mit der Höhlung nach unten auf den Teller zurücklegt, sagt er: „Hest`n Rechten drapen“ (Da hast du den richtigen getroffen). Nachdem alle Löffel abgelegt worden sind, kontrolliert der Hausherr, ob sich bei einem Löffel ein Tropfen auf dem Teller zeigt. Ist das der Fall, so muss jener, der aus diesem Löffel getrunken hat, eine Runde ausgeben. Und das kann böse enden...

Wellness in Neuharlingersiel

Eine knappe Autostunde nördlich, vorbei an Wilhelmshaven und Jadebusen erreicht man das ostfriesische Neuharlingersiel. Statt dem Bad Zwischenahner Moor dient hier der Schlick aus dem Wattenmeer als Wellness-Grundlage. Sieler nennen sich die Einwohner des kleinen Dorfs hinter dem Teich. Früher fuhren sie aus dem kleinen Hafen auf Krabbenfang auf die Nordsee. Der Tourismus bringt seit gut 100 Jahren Gäste, die von hier mit der Fähre nach Spiekeroog übersetzen wollen. Inzwischen bleiben sie gerne etwas länger, denn auch Neuharlingersiel hat etwas zu bieten. Das Reizklima mit der salzhaltigen Luft linderte besonders die Leiden von Lungenkranken und brachte die erste Kurklinik in den Ort. Vor wenigen Jahren wurde das Wattenmeer auf der anderen Seite des Damms von der UNESCO in die Liste des Weltnaturerbes aufgenommen.

Am besten erkundet man es im Rahmen einer fachkundig geleiteten Wattwanderung mit dem Biologen Bernd Koopmann, der den interessierten Gästen leidenschaftlich die Naturphänomene des einzigartigen Wattenmeers mit all seiner Vielfalt und Schönheit näher bringt. Warme Oberbekleidung und Sonnenschutz ist dabei zu jeder Jahreszeit Pflicht und für die Füße sollte man Neoprenschuhe, Turnschuhe oder fest am Fuß sitzenden Stiefeln tragen. Wer nicht daran gedacht hat, kann sich im Ort Badeschuhe kaufen. Kinder unter 14 Jahren dürfen nur unter Aufsicht Erwachsener teilnehmen.

Stolz sind die Sieler auf ihr 2011 eröffnetes Badewerk. Der mineralhaltige Naturschlick ist rund 400 Jahre alt und kommt dort zusammen mit dem Meerwasser therapeutisch zum Einsatz. Beim Schlick-Dampfer, der Wellness-Kenner stark ans Rasul-Bad erinnert, bestreicht man den Körper mit Schlick. Wenn er auf der Haut langsam flüssig wird, entfaltet er seine Peeling-Wirkung und wird hinterher mit ostfriesischem Regen abgeduscht. Das Reizklima tut den meisten Allergikern sehr gut, da die Luft arm an Allergenen und Umweltgiften ist. Gegen Beschwerden des Bewegungsapparates und Hauterkrankungen hilft die Kombination aus Sonne, Schlick und Salzwasser und auch die Schilddrüse bekommt durch die gesunde Seeluft ausreichend Jod. Das hochmoderne Badewerk war der Pionier unter Niedersachsens Wellness-Stars. In der Außenanlage ankert ein Sauna-Kutter und eine 100 Grad Deichsauna liegt direkt unter einem kleinen Wall, der das Gelände zum Meer hin abtrennt.

Zur Tee-Zeremonie in den historischen Sielhof

Einst war der Sielhof ein alter Herrensitz. Vor einigen Jahren haben ihn die Sieler mit viel Liebe zum Detail restauriert und zeitgemäß umgebaut. Inzwischen bietet er den Gästen Unterhaltung und Entspannung in urgemütlicher Atmosphäre. Ein Wahrzeichen des kleinen Orts ist die beeindruckende Wand aus 870 Fliesen, die größte geschlossene Einheit von Bibelfliesen in Ostfriesland. Mitte des 18. jahrhunderts in Westfriesland gefertigt, wurden die Bibelszenen wahrscheinlich beim Bau des Anwesens angebracht.

Teetrinken gehört ja bekanntlich zu den Lieblingsbeschäftigungen des Ostfriesen und zu keiner Jahreszeit verzichtet er auf eine schöne Tasse Tee. Mindestens dreimal am Tag heißt es: "t' is Tee-Tied". Wer tiefer in Ostfrieslands Teeweisheit einsteigen will, bekommt bei einem kleinen Seminar eine Einführung.

Bei einer Tasse Tee gibt es Wissenswertes über die historischen Hintergründe, die Teesorten und ihren Anbau sowie die traditionelle Zubereitung des ostfriesischen Nationalgetränkes zu erfahren. Ein ideales Angebot, wenn das Wetter einmal nicht mitspielt und der in Neuharlingersiel nicht unübliche Starkregen über den Ort heruntergeht.

Wenn Sie da sind, dann lassen Sie sich ein leckeres Krabbenbrot nicht entgehen - oder in Knoblauchbutter geröstete Krabben auf Graubrot - oder frische Krabben an Rührei mit schönen Röstkartoffeln. Hmmmm! Das gibt's zum Beispiel - mit viel ostfriesischer Gastlichkeit - im gemütlichen Janssen's Hotel. Das liegt direkt am Hafen, da braucht der Fisch und die Krabben nicht lang...

Nilgün Burgucu (nb)

(c) Magazin Frankfurt, 2024