Zu Gast im Herrschaftlichen Bayern

BAROCK BLUMENPRACHT IN DENNENLOHE

Wenn Robert Freiherr von Süsskind die Liebhaber schöner Parkanlage durch seinen 25 ha großen Schlosspark führt und dabei begeistert erzählt, ist es eine Vertrauenssache. Denn was er da Mitte April von seinen Pflanzen erzählt, ist für den botanischen Laien noch nicht erkennbar. Doch der Baron spricht davon mit leuchtenden Augen und einer sich schier überschlagenden Begeisterung, mit der er vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt und es sichtlich bedauert, wenn ihm sein Gegenüber nicht folgen kann und auch nicht die Farben vor sich sehen kann, die nur wenige Wochen später im Mai und Juni Süddeutschlands größten Rhododendronpark in ein wahres Meer und Düften und Farben verwandeln. Seerosen und seltene Lotusblüten im Schlossweiher, mehrere Hektar Wiesenblüten – Kirschblüte oder der Goldregenweg - lassen Sie sich von der Gartenleidenschaft des Eigentümers anstecken.

Es hat schon etwas von einem Rosamunde-Pilcher-Set, wenn wir ums Eck in einen stilleren Teil des Parks abbiegen, wo die Gräber seiner Hunde liegen, deren Nachfahren fröhlich um uns herumtollen.

Von Süsskinds barockes Schloss Dennenlohe liegt zwischen Dinkelsbühl und Gunzenhausen in Mittelfranken. "Wer mich ganz kennenlernen will, muss meinen Garten kennen, denn mein Garten ist mein Herz." Dieser Satz könnte auch von ihm stammen, doch hinterlassen hat ihn Hermann Fürst von Pückler-Muskau, ein anderer Gartenfanatiker, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts englische Parks und Gärten in Deutschland mit seinem landschaftskünstlerischen Genie weiterentwickelte.

DIE ERBEN DER FÜRSTIN PÜCKLER

Wer beim Dennenloher Schlosspark an Fürst Pückler denkt, liegt gar nicht so verkehrt, denn bevor es sein steinreicher Ahnherr 1827 übernahm, gehörte das Schloss Lucie Gräfin zu Pappenheim, geborene von Hardenberg, die nicht nur Markgräfin Friederike Louise von Ansbach-Bayreuth hierher einlud, sondern auch ihre Freundin, die Preußenkönigin Luise.

Nach der Trennung von Pappenheim lebte die sie fünfzehn Jahre hier, bevor sie bei einem Aufenthalt in Berlin den neun Jahre jüngeren Fürsten Pückler kennen und lieben lernet, der wie sie ein Faible für Parkanlagen hatte. Die Tochter des von der Aufklärung geprägten großen Reformers und preußischen Staatskanzlers heiratete Pückler später und hatte maßgeblichen Anteil an der Gestaltung der Schlossparks von Muskau und Branitz.

EIN PARK ALS WIRTSCHAFTSUNTERNEHMEN

Schlösser du Parkanlagen sind nicht nur schön, sie verschlingen leider auch jede Menge Geld. Weit mehr als man eventuell vom Denkmalschutz erstattet bekommt. Damit es Süsskind nicht so geht, wie weiland Fürst Pückler, der sich beim Park in Muskau finanziell übernommen hatte und das Schloss deshalb verkaufen und nach Branitz umziehen musste, betreibt er und seine Frau den Park seit 2004 unter kommerziellen Gesichtsunkten. Müßiggang bei der riesigen Anlage des Schlosses und seiner Nebengebäude und den Landschaftspark kann er sich da nicht erlauben.

Seit 1990 verbringt er fast jeden Tag in seinem Garten, hat fast alle Pflanzen selbst gepflanzt, die Steine selbst gesammelt und gelegt und den Park mittlerweile auf seine heutige Größe ausgebaut, der sich in drei Bereiche gliedert - den täglich geöffneten Rhododendronpark der mit seiner Pflanzenvielfalt als Botanischer Garten anerkannt ist, den stetig wachsenden Landschaftspark mit einem Patchwork traditioneller Kultur- und Wildlandschaften und dem nur an bestimmten Tagen im Jahr geöffnete Privatgarten des Schlosses.



CHATEAU PRIVÉ WOHNEN IM SCHLOSS

Wer sich dafür interessiert und einmal einen Blick hinter die Kulissen des adligen Familienlebens werfen will, kann einem neuen Angebot der bayrischen Tourismuswerbung folgen, die „Royales Reisen“ anbietet. Abgeschaut hatte man das den Kollegen aus England und Irland, wo etliche der herrschaftlichen Wohnsitze auch Gäste beherbergen. Roberts Frau Sabine von Süsskind, die aus München stammt und nach dem Wirtschaftsstudium eigentlich das väterliche Unternehmen übernehmen sollte, betrachtet das neue Angebot als Chance Gäste zu bekommen, die sich für Kultur und Gärten interessieren und darüber hinaus die sehr private Art der Gästezimmer des Chateau privé zu schätzen wissen. Von schnuckelig klein bis riesig wird in den sechs Zimmern und der Suite im 2. Stock des Schlosses einiges geboten.

Sabine von Süsskind will mehr bieten als die übliche Schlossführung. Wer keine Allergie oder Abneigung gegen das Rudel von sechs großen Terriern hat, die Gäste schon auf dem Schlosshof wild bellend und springend begrüßen, wird die Exklusivität und Abgeschiedenheit sicherlich zu schätzen wissen. Wer möchte kann auch das private Kaminzimmer und die Bibliothek des Schlosses nutzen.

NETZWERKER IN SACHEN GARTEN

Beim Gang über das Gelände zeigt Süsskind auch den Marstall, wo die Gäste von einem Pächter bewirtet werden. Manches ist dort noch eine Baustelle und wird peu a peu renoviert. Sabine von Süsskind hat dort eine Internationale Gartenbuchbibliothek angelegt, und verleiht seit 10 Jahren jährlich den Deutschen Gartenbuchpreis.

Bei einem der vielen Familienaufenthalte in England erkannte sie und ihr Mann, wie wichtig ein Netzwerk für Parks und Garten ist, und beschlossen dann ein bayerisches Gartennetzwerk zu realisieren. Inzwischen wurde mit Hilfe der bayrischen Ministerien der Verband „Bayerischer Parks und Gärten e.V.“ gegründet, um die bayerischen Gärten beim Publikum bekannter zu machen. Kamen 2004 erst 6.000 Besucher, hat sich deren Zahl inzwischen vervielfacht. Doch um wirklich profitabel davon leben zu können, peilen die Schlossherren als Ziel 100.000 Besucher pro Jahr an.

Bei ihrer Planung liegt die Adelsfamilie im Trend. Mehr als die Hälfte der deutschen Gäste zählt die Besichtigung kultureller und historischer Sehenswürdigkeiten zu ihren wichtigsten Urlaubszielen. Authentischen Erlebnisse und erlebbare Geschichten sind da genau richtig und der bayrische Landadel lässt sich darauf ein. Deren Zahl ist über die Jahrhunderte zwar stetig gesunken, neuer Adel kommt nicht hinzu, alter Adel stirbt aus oder fusioniert. Heute gibt es noch rund 15 namhafte Adelsfamilien im Freistaat. Viele Privilegien gibt es nicht mehr. Während der Vater der einstigen Schlossbesitzerin Karl August von Hardenberg Preußen reformierte, räumte im Bayern Maximilian von Montgelas tiefgreifend mit den liebgewonnen Privilegien auf. Zwei Dutzend adlige Partner konnte der Freistaat für sein Programm "Herrschaftliche Bayern" gewinnen.



DIE KÖNIGLICHEN HOFLIEFERANTEN

Nicht nur Zimmervermieter von Parkführer wie Robert von Süsskind sind darunter, auch einige der "Königlichen Hoflieferanten", die sich noch immer gerne mit dem aus der Zeit gefallenen Attribut schmücken, sind darunter, auch Schuhmacher wie Eduard Meier in der Brienner Straße in München sind darunter. Die Geschwister Brigitte und Peter Eduard Meier leite das Geschäft in 13. Generation und bieten neben Schuhen und Schuhpflegeprodukten auch passende Kleidung und Accessoires an.

Handwerk hat bei ihnen seit über 400 Jahren Tradition für ihre rahmengenähten Schuhe höchster Qualität, die Eduard Meier zum ältesten Schuhhaus Deutschlands machen. Nachdem der Adel darauf aufmerksam wurde, belieferte "Eduard Meier" das sächsische und später auch das bayerische Königshaus. Meier legt Wert auf die perfekte Schuhform für seine Kunden, die so genannte „Peduform“. Wer wissen möchte, wie man seine Schuhe richtig pflegt und ihnen immer den richtigen Glanz verleiht, der kann dort auch ein Schuhputzseminar besuchen.

DER HANDSCHUHMACHER

Ein weiterer „Königlicher Hoflieferant“ Ist der Handschuhmacher Roeckl, den inzwischen Annette Roeckl in sechster Generation führt. Schon Kaiserin Sissi und König Ludwig II. wussten ihre Qualität des 1839 gegründeten Unternehmens zu schätzen, das seine Handschuhe zum Teil immer noch im aufwendigen, traditionellen Tafelschnitt herstellt und damit seine Kunden begeistert.

Zeitlose Eleganz trifft dabei auf beste Materialien und gekonnte Verarbeitung. 1898 verlieh der Prinzregent Luitpold Roeckl dafür den Titel "Hoflieferant Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin Ludwig Ferdinand von Bayern". Inzwischen gibt es neben Handschuhen auch Tücher, Schals, Taschen, Kleinleder- und Strickaccessoires und wer zum Skifahren fährt, kann mit speziellen Handschuhen auch weiterhin sein Smartphone bedienen.

DER DELIKATESSENLIEFERANT

Eigentlich war es ja Therese Randkofer, die 1895 zusammen mit ihrem Mann Anton das Geschäft von Alois Dallmayr kaufte, den Namen behielt und es zu dem machte was es heute ist. Nicht nur von den Wittelsbachern in Bayern, sondern von insgesamt 15 Herrscherhäusern erhielt sie den begehrten Titel des Hoflieferanten. Noch heute ist das Stammhaus in der Dienerstrasse hinter der Residenz in der Münchener Altstadt das größte Delikatessenhaus Europas. Wie in der TV-Werbung wird der Kaffee auch heute noch mit einer Balkenwaage abgewogen und im Puttenbrunnen im Zentrum des Ladens warten Edelkrebse auf ihren Verkauf.

Zum großen Teil produziert man die dort angebotenen Waren selbst in der Produktionsküche im 2. Obergeschoss, wo 70 Köche Feinkostsalate, Gerichte für das warme Buffet oder Cremetörtchen herstellen. Eine Etage tiefer konnte Küchenchef Diethard Urbansky im kleinen Restaurant Dallmayr zwei der begehrten Michelin-Sterne erkochen und bietet eine bemerkenswerte Weinkarte. Etwas preisgünstiger geht es im benachbarten Café-Bistro mit schönem Blick auf die Frauenkirche zu.

DIE WITTELSBACHER IM 21. JAHRHUNDERT

Richtig in die Kreise des bayerischen Hochadels trifft man beim Ritterturnier Kaltenberg, wo man das Mittelalter live erleben kann. 1979 von Luitpold Prinz von Bayern bei seinem Wohnsitz Schloss Kaltenberg gegründet, ist es inzwischen mit drei Wochenenden in der zweiten Julihälfte und zigtausenden von Besuchern das größte Ritter-Turnier der Gegenwart.

Neben dem Kampf der Ritter einer professionellen französischen Stunttruppe vor mehr als 100.000 Besuchern wird auf vielen Open Air Bühnen rund um das Schlossgelände ein umfangreiches Rahmenprogramm dargeboten mit Musikern, Tänzern, Jongleuren, Geschichtenerzählern, Hexen, Hofnarren. Mehr als 100 lebendige Werkstätten finden die Besucher auf dem mittelalterlichen Markt, wo sie mittelalterliche Handwerkskünste vom Schwammklöppler über Plattner, Unschlitt-Bossierer, Böttcher bis zum Seifensieder präsentieren, meist Zünfte, die lange Zeit in Vergessenheit geraten sind.

DIE WITTELSBACHER UND DAS BIER

Doch Prinz Luitpold ist nicht nur beim Rittertournier aktiv. Seine König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg kooperiert inzwischen mit der der Warsteiner Brauerei und braut sein Bier nicht nur im Schloss, sondern zum großen Teil in Fürstenfeldbruck. 340.000 Hektoliter braut man in Deutschland, für mehr hat man die Lizenzrechte ins Ausland vergeben.

Die Spezialität des Hauses ist Dunkles Bier, das man im Braustübl im Schloss frisch vom Fass genießen kann, passend zu einer vom Prinzen selbst überwachten Hofküche der europäischen Fürstenhäuser, die nachinteressanten historischen Rezepten der Leibköche der Wittelsbacher Könige nachgekocht werden.

BAYERISCHE BRAUTRADITION IM HOFBRÄUHAUS

Eine andere Münchner Institution verbindet man sofort mit den bayrischen Regenten: das Hofbräuhaus, das direkt bei der Münchener Herrscherresidenz, im Herzen der Stadt lag. Herzog Maximilian I. errichtete dort 1607 sein herzogliches Weißbierbrauhaus. War Weißbier einst ein Privileg des Adels und der höfischen Bediensteten, erkannte Maximilian schnell, das es auch beim gemeinen Volk sehr beliebt war und schon drei Jahre später machte er den Durst seines Volkes zu barem Geld und erlies ein Edikt, dass es den Münchner Gastwirten erlaubte Bier aus dem herzoglichen Hofbräuhaus zu beziehen und auszuschenken.

Auch Mitglieder des Herrscherhauses, wie die einstige bayrische Prinzessin und spätere österreichische Kaiserin Sissi, schauten gerne hier vorbei, um in der zwanglosen, volkstümlichen Umgebung ein paar Schluck Münchner Bier zu genießen. Auch der russische Revolutionsführer Lenin kam 1913 gerne hierher, da, wie sich seine Frau Nadeshda in ihren Lebenserinnerungen erinnert, „das gute Bier alle Klassenunterschiede verwischt.“

STAMMTISCHE UND WEISSWÜRSTE

Herzstück des Hofbräuhauses ist die sogenannte Schwemme. Dort, wo vor über hundert Jahren noch Brauanlagen standen, können heute 1000 Menschen ihr Bier genießen. Hauseigene Musikkapellen sorgen für die richtige Stimmung. Stammgäste, die sich an einem der über 100 Stammtische treffen, haben meist ihren eigenen Maßkrug, der zwischen den Treffen in der Schwemme in zwei einzigartigen Maßkrug Safe-Gerüsten gesichert gelagert wird. Meist zahlen die Stammgäste ihre Maß mit einem Bierzeichen, wie in alten herzoglichen Zeiten. Das lohnt sich, denn wer zehn davon erwirbt, bekommt ein elftes als Treuerabatt.

Insgesamt bietet das Haus Platz für bis zu 3.000 Zecher, die zum Bier auch gerne eine der Legende nach von einem benachbarten Metzger aus der Taufe gehobenen Spezialität essen: die Weißwurst. Schon morgens um 4.00 beginnt man im Hofbräuhaus mit deren Produktion und das eigene, streng geheime Rezept des Hofbräuhauses scheint besonders schmackhaft zu sein, denn, wenn man alle Weißwürste, die hier in einem Jahr verspeist werden, aneinanderreiht, käme man auf eine Strecke von 20 Kilometern.

DIE KÖNIGLICHE PORZELLAN MANUFAKTUR NYMPHENBURG

2011 erwarb Prinz Luitpold auch die direkt am gleichnamigen Schloss gelegene Porzellanmanufaktur Nymphenburg vom Wittelsbacher Ausgleichsfond und gab ihr das Attribut Königlich zurück. Man verzichtet dort bewusst auf eine eigene Entwicklungsabteilung und fertigt in reiner Handarbeit nach Entwürfen von zeitgenössischen Designern und Künstlern wie Konstantin Grcic, Vivienne Westwood, Kiki Smith, Joep van Lieshout, Olaf Nicolai und Carsten Höller.

Jeder Teller wird von Hand gedreht, jede Vase von Hand gegossen, jedes Ornament einzeln angarniert. Auch die Rohstoffe kauft Nymphenburg einzeln an und verwendet weder fremde Porzellanmasse noch fremde Farben. Jedes Stück stammt von einer individuell abgestimmten in Nymphenburg erzeugten Porzellanmasse mit Farben aus dem hauseigenen Labor.

DIE HOHENZOLLERN IN ANSBACH

Doch zurück nach Dennenlohe. Von dort ist es nicht weit nach Ansbach, in dem man noch heute den Glanz der einest mächtigen Markgrafen aus dem Hause Hohenzollern erleben kann. Die noch original erhaltenen Prunkräumen der Ansbacher Residenz vermitteln dem Durchschnittsbürger ein Gefühl davon, wie prunkvoll das Adelsgeschlecht damals residierte. Obwohl inzwischen die mittelfränkische Regierung dort eingezogen ist, können 27 Prunkräume im Rahmen einer Führung besucht werden, darunter der Festsaal mit seiner eindrucksvollen Deckenfresken und das Spiegelkabinett mit einer Sammlung von Meißener Porzellane. Auf der anderen Seite der Straße kann im großen Hofgarten flanieren und hinterher in der Orangerie stilvoll speisen.

Jedes Jahr im Sommer lässt man in Ansbach die Zeit des Rokoko wieder aufleben. Anfang Juli zwängen sich die Ansbacher Geschichtsfreunde wieder in ihre Kostüme, um bei den Rokoko-Festspielen aufzutreten, bei denen der Gast im Hofgarten in das höfische Treiben eintaucht und historische Tänze und Musik genießt.

Mehr über die Markgrafen und deren Geschichte erfährt man auf der historischen Stadtführung "Auf den Spuren der Hohenzollern" oder im Markgrafenmuseum mit einer eigene Abteilung über Kaspar Hauser, der hier 1833 unter rätselhaften Umständen starb. Noch heute spekuliert man, ob das junge Findelkind ein badischer Erbprinz gewesen ist. 2016 finden ab 31.Juli wieder die Kaspar-Hauser-Festspiele statt, um Licht ins Mysterium zu bringen.

(c) Magazin Frankfurt, 2024