Wilhelmshof - Der Sektspezialist aus der Pfalz

In keinem anderen Land dieser Welt erfreut sich der Sekt so großer Beliebtheit wie in Deutschland. Rund 22 Prozent des Weltsektverbrauchs und knapp ein Drittel des EU-Konsums rinnen durch die Kehlen deutscher Genießer und Genießerinnen. Zwar ist Champagner, Cava, Prosecco, Krimsekt, Cremant auch bei uns beliebt, doch stammen vier von fünf Flaschen in Deutschland aus heimischen Kellereien. Als Deutschlands führender Weinverlag Meininger 2015 erstmals den "Deutschen Sektpreis" ins Leben rief und knapp 450 Sekte aus traditioneller Flaschengärung von einer Fachjury aus Oenologen, Winzern, Weinfachhändlern, Sommeliers und Fachjournalisten genau unter die Lupe nehmen lies, erreichten weit mehr als die Hälfte der eingereichten Sekte stolze 87 und mehr Punkte. "Ein großartiger Erfolg für die deutschen Sekterzeuger", fand Verleger Christoph Meininger und beklagte zugleich, dass das Image in den vergangenen Jahren unter dem Preiskrieg der Supermärkte und Discountern gelitten habe. "Das Qualitätsniveau der eingereichten Sekte aus traditioneller Flaschengärung ist unglaublich hoch."

Nicht nur Dichter lieben das "Amphitheater", wie sie seit alters her gerne den Rundblick auf Siebeldingen und seine Berge beschreiben. Der uralte Weinbauort an der Südlichen Weinstraße im Weinbaugebiet Pfalz bezaubert durch seinen denkmalgeschützten Ortskern, in dem eine charakteristische Bebauung mit Winzerhöfen des 18. und 19. Jahrhunderts, oft mit Torbögen für malerische Straßenbilder sorgt. Teilweise haben die Wohnhäuser noch schöne Fachwerk-Obergeschosse. Mit dem Institut für Rebenzüchtung "Geilweilerhof" besitzt Siebeldingen eine international bekannte und anerkannte Einrichtung, die hier ideale Voraussetzungen für ihre Tätigkeit findet.

Einer der spannensten Bauten Siebeldingens ist zweifellos der Wilhelmshof, einer der Preisträger beim schon erwähnten Deutschen Sektpreis. Als eines der höchstprämierten Weingüter Deutschlands produziert es Getränke, die man früher eher den Franzosen zugetraut hätte. Bei der Produktionist alles aus einem Guss, denn der Wilhelmshof macht seinen Wein und Sekt nicht außerhalb, wie viele andere Produzenten, sondern produziert ihn komplett vor Ort. Erfahrung mit der Weinbereitung hatte man auf dem Hof schon vor vor dem 30jährigen Krieg, aber erst 1949 füllt Wilhelm Jung jr. zum ersten Mal Wein auf Flaschen ab. Eine gute Idee, die noch einmal Fahrt bekommt, als 1975 die beiden erstklassig ausgebildete Diplom-Oenologen Christa Roth-Jung und Herbert Roth das Weingut übernehmen und gekonnt das Beste aus Tradition und Moderne miteinander verbinden.

Umgeschaut haben sie sich dafür in Epernay und Umgebung, denn ihr Ziel ist es, Qualitätssekt auf Champagnerniveau zu produzieren. Anfangs nur für den Eigenbedarf. Auf dem Flohmarkt fand man ein Rüttelpult und eine hundert Jahre alte Korkmaschine, die den Anfang machten und bei Kellerführungen immer wieder gerne gezeigt werden. Heraus kommen sind in der Folge nicht nur hinreißende Qualitäten sondern auch eine herzliche Gastfreundschaft.

Als vor einiger Zeit im Fernsehen eine Vergleichsprobe zwischen Champagner und Winzersekt aus Deutschland läuft, kann der Wilhelmshof punkten und die Juroren überzeugen. Die beiden Winzer hatten in den Jahren dazwischen viel gelernt von den Franzosen. Nur die traditionelle Methode der Champagnerbereitung kommt für sie in Frage, was für Rotkäppchen & Co (also 98 Prozent des in Deutschland getrunkenen Sekts) aus Kostengründen nicht in Frage kommt oder kommen kann. Noch dazu ist Herbert Roth ist ein echter Tüftler, der die Weinwelt mit einigen selbstgebauten und patentierten Weinbaugeräte modernisiert, die inzwischen nicht nur von ihm verwendet werden. Christa Roth-Jung organisiert seit einem Vierteljahrhundert alljährlich die renommierte "Siebeldinger Kunstwoche". Dafür wird der Keller ausgeräumt und Bilder, Skulpturen, Goldschmiedearbeiten, Jazz, Klassik und die hohe kulinarische Schule halten triumphalen Einzug.

Inzwsichen hat man schon einen Teil des Ruders weitergegeben an Barbara Roth und Thorsten Ochocki, die zuvor die Welt des Wrins nicht nur beschnuppert haben. Kennegelernt haben sie sich beim Studium in Geisenheim, wo sonst? Nach dem Examen vertieften die Zwei erst einmal jahrelang ihr Wissen auf allen Weinbau treibenden Kontinenten, im Naramata Valley in Kanada, in südafrikanischen Stellenbosch, in Urville und Reims in der Champagne und Beaune im Burgund und in Bordeaux. Thorsten schaute sich Schloss Vollrads und mehrere fränkische und badische Top-Betriebe an, ging nach St. Emilion, Oregon und das neuseeländische Central Otego. Seit Sommer 2005 sind Barbara Roth und Thorsten Ochocki wieder zu Hause, bringen ihre weltweit gesammelte Kompetenz ein und haben etwa die kraftvolle neue Sekt-Cuvée Pinot B. entwickelt, aber auch einen crèmigen Silvaner-Sekt, dessen Trauben Ochocki vom elterlichen Weingut aus seiner fränkischen Heimat holt.

Der Wilhlemshof ist bei den stillen Weinen für fruchtige und meist kräftige und harmonische Weißweine bekannt, macht aber auch glutvolle Spätburgunder. Beim Sekt deckt das Sortiment ein breites Spektrum von unkomplizierte Produktionen wie dem Spätburgunder Rosé brut bis hin zum edel-extravaganten »Patina«-Pinot ab, den Roth und Ochoki erst nach acht Jahren auf dem Hefelager degorgieren. Insgesamt lässt das breitgefächerte Angebot des Wilhlemshofs ganz und gar nichts zu wünschen übrig.


(c) Magazin Frankfurt, 2020