Die Zukunft spricht Piwi

weinbude #5

Winzer Philipp Weinreuter, Amelie Bihlmayer und André Hauer mit Lena Hess und Conny Ganß (c) Copyright-Hinweis: ADstore | filmproduktion rhein-main

Bei der Masse der Weinfreunde ist das Thema Piwi wohl noch nicht angekommen, aber es dürfte im Lauf der kommenden Jahre immer wichtiger werden, wenn wir weiterhin Weinbau betreiben und dabei auf den stärkeren Einsatz von Chemie verzichten wollen.

Was ist Piwi überhaupt, fragen Sie vielleicht? Piwi steht für ansprechende und nachhaltig produzierte Weine aus Rebsorten mit Resistenzeigenschaften, die neu, innovativ, robust und ansprechend sind und hat sich inzwischen auch international als Marke etabliert.

Dabei setzt man auf pilzresistente Rebsorten, die einen nachhaltigen Weinbau unterstützen und qualitativ hochwertige Weine liefern. In den letzten Jahren hat die Zahl vielversprechender Neuzüchtungen zugenommen. Für die meisten Weinfreunde sind die Namen dieser Weine noch Neuland, oder kennen Sie Calardis Blanc oder Helios? Haben Sie schon einmal einen Donauriesling probiert oder einen Pinot Nova? Wahrscheinlich nicht, doch hinter den klangvollen Namen, bei denen oft etwas klingelt, das uns an traditionelle Rebsorten denken lässt, stehen oft spannende Weine einer neuen Generation von Rebsorten.

Wie gesagt, die klangliche Nähe zu traditionellen Rebsorten ist durchaus gesucht, denn die Neuzüchtungen orientieren sich meist am Geschmack dieser traditionellen Rebsorten, der den Weinfreunden vertraut ist, den sie lieben und den sie möglichst auch in den neuen Rebsorten finden möchten. Als Zusatznutzen käme die Pilzwiderstandsfähigkeit hinzu. Solaris, Muscaris, Johanniter & Co können dabei nicht nur geschmacklich locker mithalten, sondern verringern auch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Daher bieten sie eine naheliegende Ergänzung zu den traditionellen Rebsorten, die intensiveren Pflanzenschutz benötigen.

Meist handelt es sich bei den Piwis um Kreuzungen zwischen europäischen Vitis vinifera Reben und pilzresistenten amerikanischen Reben. Dabei wurden die neuen Reben nicht via Gentransfer gezüchtet. Einige Hybridsorten wurden schon vor langer Zeit entwickelt, als sich die Reblaus in Europa verbreitete und viele Weinberge absterben ließ. Die neuen Reben haben eine hervorragende Widerstandsfähigkeit gegenüber Echten und Falschen Mehltau und sind oft auch weniger anfällig gegen Grauschimmel. Ohne Piwis müssen Winzer häufiger regelmäßig Pflanzenschutzmitteln einsetzen – sogar im Bioanbau, wo man notgedrungen auf die zwar offiziell noch zugelassenen aber fragwürdigen Kupferspritzmittel zurückgreifen musste.

Auch von den jungen deutschen Winzern haben einige Piwi-Rebsorten in ihr Portfolio aufgenommen oder gar ihre Produktion auf die neuen Piwi-Sorten umgestellt. Bei Generation Riesling, der weltgrößten Jungwinzervereinigung mit Sitz beim Deutschen Wein Institut, war Piwi in diesem Jahr das Thema einer Weinbude, bei der die bayrische Sommelière Conny Ganz mit drei Winzern über ihre Erfahrungen mit Piwi-Sorten sprach und die Weine gemeinsam mit ihnen verkostete.

Philipp Weinreuter kommt vom BioWeingut Weinreuter am Heuchelberg im württembergischen Leingarten. Schon seit 2009 bewirtschaftet die Familie die Rebflächen nach ökologischen Richtlinien und ist Mitglied bei Evovin und Bioland. Besonders achtet Philipp darauf, dass die Weine im Einklang mit der Natur entstehen und sie die natürliche Bodenfruchtbarkeit erhalten oder steigern und für mehr Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren im Ökosystem Weinberg sorgen. Seit 2011 pflanzt die Familie auch pilzwiderstandsfähige Reben, um den biologischen Pflanzenschutz auf ein Minimum zu reduzieren. Inzwischen sind 30 Prozent der 14 ha Weinberge mit Piwi-Sorten bepflanzt.

Als Fokuswein hat er einen 2020er Donauriesling (9 €) mitgebracht. Wie der Name schon vermuten lässt, ist Riesling einer der Kreuzungspartner dieser auch in Österreich sehr beliebten Rebsorte. Für Philipp besteht oft noch hoher Erklärungsbedarf beim Verkauf an Kunden, die Piwi-Sorten noch nicht kennen - und das sind viele. Anfangs hatten auch viele Händler Angst vor dieser Zusatzaufgabe und winkten ab. Doch inzwischen habe sich diese anfängliche Verweigerung geändert. Einige Händler kämen ganz gezielt auf das BioWeingut zu, um Piwi-Sorten, wie den veganen Welschriesling, in ihr Sortiment aufzunehmen. Beim Piwi-Weinpreis 2020 konnte er mit dem 2019er Jahrgang Gold erringen. Der Vorteil der Rebsorte ist die wegen ihrer Robustheit besonders umweltschonende Pflege. Erst musste er allerdings herausfinden, welches die optimalen Plätze für die neuen Rebsorten sind. 5 % Prozent des Weins baut in Amphoren aus. Ein sehr angenehm süffiger Wein.

Auch der Zweitwein von Philipp ist ein Piwi, ein non-vintage Sauvignac mit dem Namen Don’t call me Orange (19,90 €), den er im gebrauchten Barrique ausgebaut hat. Der oxidativ und spontanvergorene Sauvignac gärt lange auf der Maische, wird dann abgepresst und in schwäbischer Eiche gelagert bis er unfiltriert und ohne Schwefel als Cuvée aus zwei Jahrgängen abgefüllt wird. Beim Piwi International Wine Award durfte er sich über Großes Gold freuen. Die Rebsorte aus Sauvignon, Riesling und Amur-Rebe stammt aus dem Jura und erbringt Weißweine mit Aromen von Aprikosen, Äpfeln, Limetten und schwarzen Johannisbeeren. Philipp experimentiert schon seit 2011 mit Orange Wine und sieht in diesem spannenden Wein eine Art Orange Light.

Als zweiter Winzer kam André Hauer vom Bad Dürkheimer Weingut Hauer in die Runde. Sein Weingut vor den Toren der Kurstadt hat 12 ha Rebfläche, die um den Betrieb herumliegen. Rund 50 Prozent der Reben sind der Produktion von Weißwein gewidmet. Das Weingut leitet er zusammen mit Vater Volker in inzwischen dritter Generation. Zuerst hatte man Wein an einen kleinen Kreis von Privatkunden verkauft, später im eigenen Gutsausschank Katharinenhof ausgeschenkt. Inzwischen verkauft Hauer seine Weine bundesweit und beginnt auch mit dem Export. Noch sind nicht alle Kunden offen für seine neuen Piwi-Weine, doch seitens des Fachhandels erfährt er große Offenheit. Vater Volker sei offen gewesen für Neues, was ihm überhaupt erst ermöglicht hätte, die neuen Piwi-Sorten anzubauen. Auf den Flaschen prangt markant ein Wildschweinkopf mit seinen mächtigen hervorstehenden Eckzähnen, den Hauern, die der Familie ihren Namen gaben. André spielt mit dem Wildschwein, nennt seine Weine Arme Sau, Saubande oder Saustark.

Als Fokuswein hat er einen 2020er Cabernet Blanc (9 €) mitgebracht. Vermutlich würden viele Gelegenheitstrinker bei dem eingängigen Namen gar nicht merken, dass es sich um einen Piwi-Wein handelt, sondern ihn für eine ihnen unbekannte Cabernet-Sorte halten. Die vor gut 30 Jahren gezüchtete Rebsorte bringt extraktreiche, stoffige Weine hervor, die an Sauvignon Blanc erinnern. Vom Geschmack wird er häufig mit diesem oder Riesling verglichen. André baut ihn auf einem Hektar an und ist zufrieden mit der niedrigeren Säure und der Fülle des Weins. Die Rebe mag sandige Böden für eine gute Aromatik, ist kräftig gebaut, hat eine präsente Säure, ist würzig und besitzt gute Trinkreife. Der Wein duftet schön nach Cassis und reifer Stachelbeere und hat auch eine exotische Maracuja-Note.

Als Zweitwein hat er einen Cabernet aus dem normalen Sortiment dabei, einen 2020er Cabernet Sauvignon Rosé (9,50 €). Für André ist diese Rebsorte wichtig. Spätburgunder rangieren im Weingut hinter den Cabernet-Sorten. Ausgebaut hat er ihn in neuem Barrique. Er ist von mittlerem Orange und duftet nach Erdbeere, Johannisbeere, Himbeere und Vanille, die alle von Röstaromen ummantelt werden. Von der Frucht ist er nicht ganz trocken, hat aber am Gaumen ausreichend Säure. André sagt, dass ihm seine männlichen Kunden loben, die sonst Rosé eher als Wein für ihre Frauen betrachten.

Als letzten Gast hatte Conny mit Amelie Bihlmayer das Nesthäkchen unter den Weinschwestern zu Gast. Unter diesem Namen vermarkten sich die vier Schwestern, von denen die Älteste Cathrin das Weingut im Herzen Baden-Württembergs in Löwenstein, rund 20 km südöstlich von Heilbronn als Winzerin führt. Amelie kümmert sich im Betrieb um Marketing und Vertrieb, während Desiree und Beatrice ihren Haupterwerb außerhalb des Weinguts gefunden haben und nur an den Wochenenden voll einsteigen können. In den Parzellen des Familienweinguts mit knapp 20 ha Rebfläche herrscht bunter Mergel auf Gipskeuper vor, an einigen Stellen findet sich auch Schilfsandstein. Man freut sich über vorteilhafte Höhenlagen und die lauen Wärmeströme vom nahen Breitenauer See.

Amelie ist froh, dass die Schwestern sich für Piwi-Sorten entschieden haben, denn dadurch kann der Pflanzenschutz um bis zu 80 Prozent reduziert werden. Die lockerbeerigen Trauben sind sehr pilzwiderständig und ermöglicht es hohe Qualität zu erreichen. Insgesamt also ein entspannteres Arbeiten. Sehr angetan haben uns die Etiketten, die für die Schwestern eine Freundin nach ihren Vorstellungen malt und darin Geschichten und Träume erzählt. Auch die Namen wie Jungle Drum sind sehr kreativ. Nach dem Motto “Wein im Blut I Herz im Wein” kreieren die Schwestern moderne Weine, arbeiten gutgelaunt zusammen wann immer es geht und vereinen Modernität, Innovation und Bodenständigkeit.

Auch Amelie bringt einen 2020er Cabernet Blanc mit, den Jungle Drum (11.90 €), bei dem knackige Kiwifrucht auf saftige Stachelbeere trifft und zusammen mit einem bunten Bouquet an Wildkräutern einen schönen komplexen Weißwein ergeben, der Spaß beim Trinken macht. Als Zweitwein hat sie mit einem 2019er Liebe Leben Lemberger (13,90 €) eine traditionelle Rebe ihrer württembergischen Heimat mitgebracht. Ihre Schwester Cathrin hat darüber ihre Diplomarbeit geschrieben und beim DWI-Wettbewerb Deutschlands Coolster Wein erzielte er Bronze. Die Schreibmaschine auf dem Etikett mit den vier Schwestern zeigt, dass alles mit einem guten Glas Wein begann. Der Wein erzählt die Geschichte der Großfamilie mit viel Gläserklirren, Fröhlichkeit und Zusammengehörigkeitsgefühl. Trocken im Holzfass ausgebaut, duftet er nach Brombeere, Paprika und Vanille.

In den kommenden Jahren werden wir sicherlich noch sehr viel mehr über Piwi-Rebsorten hören und freuen uns schon auf spannende Weine nicht nur dieser drei jungen Winzer.


(c) Magazin Frankfurt, 2024