Große Weine aus dem Piemont - Tenuta Carretta

Weingut Tenuta Carretta im Piemont

(c) Tenuta Carretta

Tenuta Carretta - eine lange Weinbaugeschichte

Tenuta Carretta

(c) Tenuta Carretta

Wenn man sich ein wenig mit den Winzern und ihren Weingütern beschäftigt, merkt man schnell, dass es unterschiedliche Gruppen gibt. Die einen haben als Geschäftsleute, Politiker oder Juristen – meist aber einer Kombination dieser Tätigkeiten in den Metropolen Karriere gemacht und sich dann, weil sie selbst gerne Wein trinken und weil es hipp ist, ein altes Weingut gekauft und mit einem der renommierten und teuren Berater ihre eigenen Weine auf den Markt gebracht. Meist waren es dieselben Menschen, die mir mit einem Lächeln ein durchaus nicht witziges Bonmot erzählten: „Wissen Sie, wie man mit Wein ein kleines Vermögen machen kann? --- Man muss mit einem großen Vermögen anfangen.“ Stimmt natürlich, denn der Markt ist hart und wenn man zu teuer kauft, zu teure Beratung bucht und alle Arbeiten von zuverlässigen Mitarbeitern erledigen lässt. Meist hat zuvor schon die Renovierung des Weinguts und das Aufpeppen des technischen Equipments auf den neusten Stand ein Vermögen verschlungen. Selbst einige Prominente, wie der Simply Red-Sänger Mick Hucknall fallen in die Gruppe und wissen ein Liedchen davon zu singen. „Man kann kein Business erfolgreich führen, wenn man mehr als 2000 Kilometer entfernt ist. Es war am Ende eine Geldverschwendung, so viel Eigentum zu haben" sagte der Sänger kürzlich in einem Interview.

Dann gibt es da noch die Gruppe des Adels und der Großgrundbesitzer, die schon seit Jahrhunderten auf ihren Ländereien Weinbau betreiben und das Geschäft von Generation zu Generation weitergeben haben. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Fortune.

Die Tenuta Carretta ist eine Mischung von beiden. Das Weingut in Piobesi d’Alba gehört mit seinen 80 Hektar Rebfläche bereits seit 35 Jahren der Familie Miroglio, die seit den frühen Tagen der Industrialisierung im piemontesischen Alba einen erfolgreichen großen Modekonzern aufgebaut hat und sich für ihr Renommee ein Weingut gegönnte hat, dass eine lange Geschichte und Lagen in den bekannten Lagen Barola, Barbaresco und Roero besitzt.

Damit konnte die Tenuta punkten, deren Weinberge verteilt in der Langhe und Roero liegen, wobei fast die Hälfte mit 35 Hektar sich rund um die Kellerei in Piobesi d’Alba finden. Doch wenn man mal zu Gast auf dem eindrucksvollen Weingut ist, das sich dem integrierten Weinbau verschrieben hat und kulinarisch vom ligurischen Sternekoch Flavio Costa bekocht wird, der für Ivana Brinoglo Miroglio, die für die drei Weingüter der Konzern zuständig ist, nicht nur das Restaurant 21.9, sondern auch das kleine Boutiquehotel Albergo di Charme mit zehn von ihr eingerichteten romantischen Suiten leitet, merkt man schnell, wie nah die namhaftesten Weinbauzonen des Piemont beieinander liegen. Das bringt eine große Vielfalt mit dem weißen Arneis und den roten Barbera, Favorita und Nebbiolo. Vor allem letzterer ist, wie kaum verwundert, ein Schwergewicht des Weinguts. Klein aber fein der Weinberg in Barolo, deutlich größer die beiden Lagen für den Barbaresco DOCG. “Unsere Familie hat schon immer in diesem Teil des Piemonts gearbeitet, daran geglaubt und darin investiert: historisch im Textilgeschäft und in de den letzten 30 Jahren mit direktem und wachsenden Einsatz in der Produktion großer Weine“, freut sich Ivana, die für das Piemont die Vereinigung der „Donne del Vino“ vertritt.

Auch in ihrem Kerngeschäft konnte die Miroglios ihre Augen nicht vor der Globalisierung verschließen. Modeproduktion in Italien ist heute kaum noch zu bezahlen und so brachte die Familie die Produktion nach und nach in Südosteuropa unter, ging ein Joint Venture mit einem türkischen Modenproduzenten ein und konzentrierte sich darauf, nur noch die zentralen Aufgaben in Alba erledigen zu lassen. Für die Bevölkerung der Kleinstadt muss das ein harter Schnitt gewesen sein, denn einst war Miroglio nach dem Nutella-Hersteller Ferrero der größte Arbeitgeber der Stadt, die für den weißen Trüffel bekannt ist.

Spitzenweinberg Cannubi in Barolo

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Giovanni Minetti als erfahrener Winemaker

Giovanni Minetti und Franco Miroglio (rechts)

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Mit der Tenuta Carretta hat Miroglio ein schon seit 1467 existierendes Weingut gekauft. Älter als seine piemontesischen Mitbewerber, aber noch nicht ganz in der Liga der Topweingüter des Piemonts. Das könnte sich in den kommenden Jahren durchaus ändern, denn Mirolglio hat vor einiger Zeit mit Giovanni Minetti einen gestandenen Weinexperten ins Boot geholt, der zuvor lange Zeit für das inzwischen von Eatitaly-Gründer Oscar Farinetti erworbene piemontesische Vorzeige-Weingut Fontanafredda gearbeitet hatte. Minetti soll das Weingut wieder zu einem der Top-Weingüter des Piemont machen. “Die Weinberge sind das wesentliche Element, denn aus ihnen stammt die Qualität des Weins“ sagt Minetti. Die Voraussetzungen sind exzellent: erstklassige Lagen, ein modernes Weingut und junge, begeisterte Önologen unter Leitung eines der alten Experten. Die Nachfrage nach Spitzenweinen ist da, aber trotz der Steigerung der Produktion in den letzten Jahren ist die Menge der Spitzenweine immer noch überschaubar und rechtfertigt für einige der Winzer Preise von bis zu 1.000 Euro pro Flasche. Da spielt die Tenuta Carretta noch nicht ganz mit, aber bei einer über 500jährigen Geschichte kann man ja etwas warten.

Minetti verweist auch auf das Phänomen der globalen Erwärmung, die sich auch auf den Weinbergen der Tenuta Carretta auswirkt, indem die Reben anderes auf die Sonneneinwirkung reagieren. „Das hat uns zu neuen Einschätzungen geführt, die sich von denen der 2000er Jahre unterscheiden. Einige Hügel, die einst als ungeeignet für die Produktion von Qualitätswein angesehen wurden wurden jetzt neubewertet, weil sie in der Lage sind weniger Stress auf die Trauben auszuüben, eine bessere Balance zwischen Säure und Zuckergehalt zu ermöglichen und eine gute Reifung der Polyphenole und Anthocyane sicherzustellen."

Auf keinen Fall will Minetti mit mehr Masse trumpfen und setzt stattdessen auf Qualität.

„Weinherstellung ist relativ einfach“ sagt Minetti – „aber einen „großen“ Wein herzustellen ist eine Herausforderung, die kostspielig ist und große Aufmerksamkeit auf die Details verlangt“.

Nicht immer macht es einen der spät reifende, autochthone Nebbiolo, der für die Weine aus Barolo und Barbaresco steht, einfach, denn der Wein entwickelt eine markante Säure und die kräftigen Tannine zeigen deutlich, dass es kein Alltagswein ist, sondern etwas für Eingeweihte und Fortgeschrittene, dem man etwas Zeit auf der Flasche geben sollte. Wie kaum ein anderer Wein ist der Nebbiolo auch abhängig vom Terroir. Ihr Name leitet sich vom italienischen Wort für Nebel ab. Obwohl 90 Prozent der Nebbiolo-Reben im Piemont angebaut werden, wundert es nicht, dass man diese Edelrebe auch an anderen Stellen rund um die Welt anpflanzt. Wir sind ihr in Australien begegnet, in Südafrika, Süd- und Nordamerika aber auch in China. Einige der Weine sind durchaus bemerkenswert, andere – auch im Piemont – eher bescheiden, doch sehr selten erreicht sie, auch bei bester Pflege, die Ergebnisse, die man in Barolo und Barbaresco erzielen kann. Doch allein reichen auch diese Orte nicht aus, denn zwar ist die Menge an Wein mit ihren Etiketten ist in den vergangenen Jahren angestiegen, nicht aber die Anzahl der Toplagen, um deren Ausweitung es erbitterten Streit unter den Winzern gegeben hat.

Vor Ende Oktober ist im Piemont auch dann, wenn er auf sonnigen kalkhaltigen Südhängen steht, an eine Lese nicht zu denken, da sonst die Tannine den Wein zu fest umschließen und nicht richtig reif werden. Schon im Frühjahr muss man auf ihn aufpassen, da er früh austreibt und die Frühlingsfröste ihm ebenso zusetzen können, wie der Echte Mehltau.

Lese im Piemont

(c) Tenuta Carretta

DIE SpitzenWEINE der Tenuta Carretta

Bric Paradis0 im Restaurant 21.9

(c) Tenuta Carretta

Der Spitzenwein des Weinguts ist der Barolo Cannubi Riserva der Collezione Rag. Franco Miroglio, den Franco Miroglio jr. seinem gleichnamigen Großvater gewidmet hat, der das Modeunternehmen aufgebaut hat und es mit dessen Erfolg seinem Vater Edorado ermöglichte, das Weingut zu erwerben und damit die Weinbautradition der Familie zu begründen. Die Produktion ist in jedem Jahr streng auf 1.260 nummerierte Flaschen begrenzt, die dann mindestens 5 Jahre reifen muss, bevor sie in den Verkauf gelangt, mindestens drei davon im kleinen Fass aus französischer Eiche. Der Wein stammt aus dem gleichnamigen historischen Cannubi-Weinberg im Nordosten von Barolo, dessen ideale Sonnenausrichtung und sein ganz spezielles Mikroklima ihn zu einer absoluten Paradelage der Region macht. Noch heute bewahrt man im Ort eine Flasche "Cannubi 1752" auf, die wohl älteste noch erhaltene Flasche des Piemont, die beweist, welche Bedeutung die Einzellage schon damals hatte, denn ihre Weine vereinen Reife, Frische, Komplexität und Eleganz mit wunderbarer Duftigkeit.

Giovanni Minetti und sein Team setzen dabei auf strengste Selektion schon im Weinberg, denn man kann aus Nebbiolo zwar auch große Mengen gewinnen, muss dann aber auf große Qualität verzichten. Der Selektion im Weinberg folgt eine Selektion im Keller. Der 2014er Jahrgang ist ein wundervoll komplexer Wein mit intensiven Granatrot und einem leichten Bernsteinschimmer. Reife saftige Frucht, ein Hauch von Zitrus, ein würziges Aroma von Beeren, Veilchen, Rosen, Kakao, Tabak und pilzig-erdigem Unterholz. Die Tannine sind in diesem Barolo gut gezügelt, ebenso die Säure. Ein sehr eleganter Wein, der aber sicherlich noch ein bis zwei Jahre reifen sollte, bevor man ihn konsumiert. Preislich liegt die erlese Selektion bei rund 140 Euro. Die Menge ist gering, was seine Verfügbarkeit begrenzt.

Bei den restlichen 600.000 Flaschen ist die Verfügbarkeit deutlich besser. Rund 15.000 fallen auf den Cannubi Barolo DOCG, die älteste Cru des Weinguts. Die Trauben stammen aus demselben Weinberg wie bei der Riserva. Statt 6,5 Tonnen pro Hektar sind hier 7 Tonnen erlaubt. Ausgebaut wird er im großen Holzfass. Von der Farbe zeigt er leichtendes Rubinrot. Schöne reife Fruchtaromen nach Johannisbeeren und Walderdbeeren, nach Zimt, Lakritze und Kakao. Preislich liegt er bei 55 Euro.

Das Weinbaugebiet von Barbaresco wird gerne „der kleine Bruder“ des Barolo genannt. Die Orte liegen kaum 20 km voreinander entfernt. Barbarescos Weinbauregion ist kleiner als Barolo und liegt gegenüber den Hügeln des Roero, wo das imposante Schloß Guarene auf der anderen Seite des Flusses Tanaro grüßt.

Mit Angelo Gaja hat einer der namhaftesten Winzer Italiens dort sein Weingut. Durch die Nähe zum Tanaro sind die Hügel des Barbaresco niedriger. Der Wein ist meist mehr Finesse, ist filigraner und hat trotz der Kraft nicht die Wucht, mit der viele Barolos auftrumpfen. Seit 1980 wurde das Gebiet als DOCG anerkannt und der Wein gilt als „Wein der Königin“. Meist wird er kürzer ausgebaut als der Barolo. Einfache Barbarescos reifen zwei Jahre, davon eines auf Holz, beim Barolo ist es ein Jahr mehr. Die Menge an Barbaresco ist bei 500 ha deutlich geringer als bei den 1.200 ha Barolo.

Der Spitzen-Barbaresco der Tenuta Carretta ist der Cascina Bordino Barbaresco Riserva DOCG, der aus dem gleichnamigen steilen Weinberg mit dem sandigen Boden im Osten des Örtchens Treiso mit seinen schlammgrauen Marmorelementen stammt. Der Weinberg hat einen guten Ruf für Qualitätsweine. Er lagert vor dem Verkauf gut vier Jahre, davon mindestens ein Jahr im Eichenfass. Farblich von kräftigem Granatrot mit Aromen von wilder Rose, Veilchen und reifen roten Früchten. Der 2013er ist schon trinkbar, kann aber gut noch einige Jahre lagern.

Der Grand Cru Bric Paradiso stammt von der anderen Seite des Tanaro aus den Weinbergen rund um das Weingut. Auch der Weinberg hat eine lange Geschichte und wird in Dokumenten aus dem Jahr 1878 erwähnt. Der Wein steht für die weniger bekannte Region Roero, die viele Weinfreunde eher von dem autochthonen Weißwein Arneis kennen. Auch für die Tenuta Caretta ist der Roero Arneis mengenmäßig der wichtigste Wein, allen voran der Roero Arneis „Cayega“ DOCG. Doch auch der Nebbiolo gedeiht hier gut. Der Bric Paradiso ist elegant und zeichnet sich durch eine gute Trinkbarkeit aus. Er reift 18 Monate im Fass und dann ein weiteres Jahr auf der Flasche, gerne aber auch länger. Preislich ist er sehr interessant, denn man zahlt bei Barolo und Barbaresco natürlich auch für deren renommierte Namen. Der 2013er präsentiert sich mit intensivem Rubinrot und zeigt schöne Aromen von reifen Früchten, Lakritze, Vanille und Weihrauch. Ein sehr gefälliger Wein.



Auch wenn momentan viele Vorsichtige noch nicht an Reisen ins Ausland denken, die Weine kann man auch bei uns hervorragend genießen und wenn hoffentlich bald durch eine Impfung die Angst vor Corona schwindet und wir wieder ungetrübt Land und Leute des Piemonts erkunden können, sollte ein Besuch der Tenuta Carretta ganz weit oben auf der To-Do-Liste stehen, denn neben gutem Wein erwarten den Gast dort eine bezaubernde Umgebung, eine exzellente Küche und ein romantisches Hideaway.



(c) Michael Ritter

Sternekoch Flavio Costa im 21.9

(c) Tenuta Carretta

(c) Magazin Frankfurt, 2022