Grandi, Mythos Nationalgericht

Grandi, Mythos Nationalgericht

(c) HarperCollins

Ich war schon etwas verwundert, als ich vor einigen Jahren den Schwerpunkt meiner Tätigkeit auf den Gastro- und Weintourismus verlagerte, dass ich während meiner Studienzeit in den 70er Jahren in der Toskana nichts vom Lardo di Collonata mitbekommen hatte, diesem famosen butterzarten Speck auf der Gegend von Carrara, der dort über Monate in Marmorbecken heranreift. Dabei hätte ich es mir eigentlich denken können, denn etwas später hatte ich in der Camera di Commercio in Parma ein Praktikum absolviert, die – anders als in Deutschland – auch das Handwerk miteinschloss. Meine Aufgabe war dabei eine kleine Studie über die Tomatenkonserven, die in der Emilia Romagna einen Schwerpunk neben der Campagna bildete. Die das Doppel- und später das Dreifach-Konzentrat in der Tube und später die Polpa di Pomodoro, ein kaltgepresstes Konzentrat aus Tomaten waren damals Kassenschlager, die Mutti ein Unternehmen aus der Region Parma herstellte, dass inzwischen auch für viele deutsche Verbraucher für hochqualitative Tomatenprodukte aus Italien steht. Für Mutti, aber auch für andere Produkte wie Parmigiano Reggiano, Parmaschinken und Lambrusco, um nur die wichtigsten zu nennen, hatte die Camera die Commercio eigens eine Abteilung eingerichtet, die sich seit 1976 der Promotion und Vermarktung der Lebensmittel widmete: Parma Alimentare.

Die Italiener haben international viel für den Ruf ihrer Küche und ihrer Produkte getan, deutlich mehr als die Deutschen und die meisten anderen Nationen. Heutzutage gilt die italienische Küche weltweit als Inbegriff von Genuss und kulinarischer Perfektion. Nichts ist in Italien so heilig wie die prodotti tipici, die regionalen Spezialitäten.

Insofern kann man den Aufruhr gut verstehen, als Alberto Grandi ein Buch mit dem Titel „Denominazione di origine inventata“ herausbrachte, denn das bedeutet übersetzt „Erfundene Ursprungsbezeichnung“ .Grandi ist Historiker an der Universität Parma und forscht seit Jahren zur Wirtschaftsgeschichte Italiens. Die Herkunft italienischer Speisen hat er dabei genau untersucht und bereits mehrere Bücher dazu geschrieben. In seinem gleichnamigen Podcast DOI (Denominazione di origine inventata) spricht er über Mythen und das Verhältnis seiner Landsleute zum Essen.

Kaum ein anderes Buch erhitzte die italienischen Gemüter daher so sehr wie seine Erkenntnisse über die heute viel gehypte Authentizität italienischer Produkte. Grandi legt offen, dass sie vor allem auf geschickte Marketingstrategien der Lebensmittelindustrie in den 1970er-Jahren zurückzuführen sind. Denn Parma Alimentare ist nur eine der Think Tanks, die die regionalen Produkte pushen will. Das nationale Selbstverständnis seines Landes brachte Alberto Grandi damit gewaltig ins Wanken.

Alberto Grandi, Mythos Nationalgericht, Die erfundenen Traditionen der italienischen Küche: Warum Parmesan politisch ist | Ein spannender wie unterhaltsamer Einblick in die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Italiens, Harper Collins, Hardcover, 256 Seiten, ISBN 978-3365006252, 22 Euro,

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(c) Magazin Frankfurt, 2024