Wagner, Konrad der Große

Was sich anhört, wie ein Buch über einen der Stauferherrscher oder den im Dresdner Fürstenzug dargestellten Markgraf von Meißen, ist in Wirklichkeit ein Buch über eine Persönlichkeit, die uns (zeitlich) wesentlich näher ist. Ältere haben noch die Spätjahre des ersten deutschen Bundeskanzlers erlebt, der dieses Amt hochbetagt antrat, nachdem er eigentlich schon sein Lebenswerk vollendet hatte: Konrad Adenauer. Im Herbst jährt sich nämlich zum hundertsten Mal der Tag, als er sein Amt als Oberbürgermeister von Köln antrat. Damals herrschte in Berlin noch der Kaiser und es tobte der Erste Weltkrieg. Als Mann mit Weitsicht und Erfindergeist half Adenauer der Kölner Bevölkerung über Lebensmittelknappheit und andere Nöte hinweg. Im November 1918 war der Krieg verloren und wenig später zogen britische Besatzungstruppen in Köln ein und blieben dort bis 1926. Wie in vielen anderen Städten ergriff in Köln ein Arbeiter- und Soldatenrat die Macht. Rheinisch-pragmatisch wählte man den amtierenden Oberbürgermeister an dessen Spitze. Zusammen mit dem SPD-Vorsitzenden Wilhelm Sollmann lenkte Adenauer den Umsturz in friedliche Bahnen. Die im Versailler Vertrag festgeschriebene Entmilitarisierung des Rheinlandes machte sich Konrad Adenauer zunutze, um Köln zum wirtschaftlichen und kulturellen Mittelpunkt im Westen Deutschlands auszubauen. Auch in Köln galt nun die neue demokratische Reichsverfassung. Frauen bekamen erstmals das Wahlrecht – und Zugang zum Stadtrat und zu der 1919 wiederbegründeten Universität. Die Anlage des Grüngürtels als grüne Lunge für die wachsende Großstadt, ergänzt durch Sporteinrichtungen in Müngersdorf sind legendär. Mit der 1924 in Deutz eröffneten Messe wurde Köln zur bedeutenden Messestadt und besaß bereits 1925 mit dem Hansahochhaus das höchste Haus Europas. Der Flughafen Butzweilerhof wurde nach dem Abzug der Briten zum wichtigsten westdeutschen Zivilflughafen ausgebaut und in Niehl entwickelte sich ein neuer Industriehafen. Die erfolgreiche Umsetzung dieser Großprojekte sowie der Bau der Fordwerke 1930 und der schnellen Autokraftstrasse nach Bonn war in vielem dem persönlichen Engagement Adenauers zu verdanken.

In seiner Zeit wurde Köln aber auch zum Zentrum der Dadaisten um Max ernst und Hans Arp und die Kölner Werkschulen sowie die Musikhochschule tragen noch heute zum Renommee der Kulturstadt Köln bei. Umbrüche und Neuanfänge kennzeichneten auch die Kunstszene. Politisch engagierte Künstler und Künstlerinnen wie Franz W. Seiwert, Heinrich Hoerle, Anton Räderscheidt und Marta Hegemann gründeten immer wieder neue Künstlergruppen. Die bekannteste ist bis heute die „Gruppe der progressiven Künstler“. Sie wollten nicht nur die Kunst, sondern auch die Gesellschaft revolutionieren. Zwar hatte Adenauer für diese Künstler wenig Sympathien, doch auf ihn geht neben der kulturellen Hochschulgründungen auch der Umzug des WDR nach Köln zurück – Meilensteine der Kölner Kultur bis heute.

1929 wurde der damals 53-jährige Adenauer mit nur einer Stimme Mehrheit wiedergewählt, da er trotz all seiner unbestrittenen Verdienste in Köln wegen seines autokratischen Verhaltens und dem hohen Schulden umstritten war. Wie viele andere bürgerliche Politiker unterschätzte er die Gefahr, die von den Nationalsozialisten ausging, die ihn vier Jahre späte seines Amts enthoben.

Wer tiefer in das Wirken Konrad Adenauers einsteigen möchte, dem sei „KONRAD DER GROSSE“, die bis zum 19. November 2017 laufende Sonderausstellung des Kölnischen Stadtmuseums empfohlen, die die 16-jährige Herrschaft Konrad Adenauers als Kölner Oberbürgermeister bis zu seiner Absetzung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 beleuchtet. Die Ausstellung konzentriert sich dabei nicht nur auf die Person Konrad Adenauers, sondern gibt einen lebendigen Einblick in das pulsierende Leben in der Metropole am Rhein in der damaligen Zeit.

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(c) Magazin Frankfurt, 2020