Ebert, Bimbes - Die schwarzen Kassen der CDU

Eigentlich bezeichnete „Bimbes“ einen aus eingedicktem Birnensaft hergestellten Brotaufstrich, der traditionell in einer kleinen Gemeinde im rheinland-pfälzischen Rhein-Land-Kreis hergestellt wird. Dafür verwendet man die Graubirne - mundartlich Groobiirn – die auch Bimbes-Birne genannt wird. Darüber hinaus ist es In der pfälzischen Umgangssprache auch eine gängige Bezeichnung für Geld, die auch Ex-Ministerpräsident und Bundeskanzler Helmut Kohl benutzt haben soll. Durch Kohl und die von ihm ausgelöste Schwarzgeld-Affäre der CDU landete der Begriff Bimbes seit 2000 auch im Duden. Der Begriff wurde auch zum Namen einer ARD-Dokumentation über ihn und die schwarzen Kassen der CDU. Dabei ging es um den Umgang Kohls mit schwarzen Kassen, die Flick-Affäre und die Spendenaffäre, sowie Kohls „Ehrenwort“. Der genaue Titel der Dokumentation, die ein halbes Jahr nach Kohls Tod im Dezember 2017 lief, war „Bimbes – Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl“. Dem sturen CDU-Führer war es gelungen, sein Geheimnis über die Herkunft von mindestens 20 Millionen Mark mit ins Grab zu nehmen.

Bis heute dauert der Verlust des Vertrauens an die einst großen Volksparteien an. Zwar ist die CDU NOCH die stärkste Partei im Deutschen Bundestag, doch könnte sich das schon bald ändern. War es bei der SPD Bundeskanzler Gerhard Schröder, der trotz eigener Tendenz zur Vorteilsannahme zusammen mit den Grünen den Sozialstaat mit der Hartz-IV-Reform dem Untergang weihte und damit die SPD demontierte, so hatte bei der CDU Helmut Kohl durch die "Flick"- und "Ehrenwort"-Affäre seinen Wählern und Steuerzahlern bewiesen, wie wenig er von ihnen hält und damit Schritt für Schritt zu einer Staatsverdrossenheit geführt von der heute vor allem die in Teilen faschistische und rechtsradikale AFD profitiert.

Helmut Kohl hatte damals gesagt: „Ich habe nicht die Absicht, deren Namen zu nennen, weil ich mein Wort gegeben habe.“ Wolfgang Schäuble sagte: „Es gibt keine anonymen Spender.“ Heiner Geißler sagte: „Es gab auch andere Konten, das ist wahr.“ Im Winter 1999 stand Kohl im Mittelpunkt der CDU-Spendenaffäre, verschwieg das System der schwarzen Kassen und täuschte, verlogen wie sein Parteifreund Barschel, die Öffentlichkeit mit seinem „Ehrenwort“ zu anonymen Spendern, die es gar nicht gab. Die Wahrheit wäre für ihn und die CDU offensichtlich zu gefährlich geworden. Doch woher kam das Geld, mit dem die CDU über Jahrzehnte ihre politische Macht erkaufte?

In seinem Buch „Bimbes – Die schwarzen Kassen der CDU“ gelingt es dem 67-jährigen Autor Karl-Heinz Ebert, der bis zum Eintritt in den Ruhestand in der gesetzlichen Unfallversicherung tätig war, etwas Licht in die Sache zu bringen, denn sein 1996 verstorbener Vater Karl-Anton erzählte ihm vor 30 Jahren Details über die undurchsichtigen Machenschaften rund um das „Freie Fernsehen“ der Adenauer CDU. Sein 85-jähriger Vater sei damals besorgt gewesen über die schwere Erkrankung der Mutter, die nun gepflegt werden müsse und er selbst sei auch nicht mehr fit genug, um allein die Welt zu erkunden, nachdem Karl-Heinz ältere Geschwister kurzfristig von der gemeinsam geplanten Urlaubsreise abgesprungen seien. Aus dieser Enttäuschung heraus sinniert er, wie viel Lebenszeit er noch habe und was ihm in dieser Zeit wichtig sei. Dabei ist wohl der Gedanke geboren, sich mit dem Sohn auszusprechen. Bei einem gemeinsamen Bier kommt er schnell von der Familie und der Krankheit seiner Frau auf ein anders Thema zu sprechen, das ihn beschäftigte. „Ich werde dir jetzt etwas erzählen, worüber ich noch nie mit jemandem gesprochen habe. Auch mit niemandem sonst aus der Familie. Was ich dir jetzt sage, belastet mich schon seit fast dreißig Jahren, und ich muss endlich mal mit jemandem darüber sprechen. Was ich weiß, könnte für bestimmte Personen so etwas wie eine politische Bombe sein, deshalb werde ich auch dir keine Namen nennen.“

Ein Whistleblower war Ebert Senior nie, denn er hatte als Buchhalter Zeit seines Lebens damit gehadert, ob er etwas sagen soll oder besser das dreckige Spiel mitspielen soll und das Maul hält, um seine Familie zu schützen. Bei dem, was für die CDU-Macher auf dem Spiel stand, hätte sich auch deren Lösungsverhalten bei undichten Stellen vermutlich nicht sehr von der Mafia unterschieden. Und man hatte eine gute Drohung parat, denn wenn er als Buchhalter zugunsten des Arbeitgebers gegen das Gesetz verstieß, hätte man ihm bei der politischen Konstellation vermutlich als Bauernopfer die Schuld in die Schuhe geschoben. Davon können viele Staatsanwälte, Richter und Polizisten ein Liedchen zu singen, die bei ihren Ermittlungen Staub aufgewirbelt haben, der nach dem Willen der Mächtigen besser liegen blieb. Ehrlichkeit ist für Buchhalter deshalb meist ein hehres Ziel, aber gelernt haben sie auch, dass sie oft mit ihren Buchungen die Gier und Bestechlichkeit ihrer Chefs befriedigen sollen.

Karl-Anton Ebert hatte die letzten Berufsjahre in den späten 60ern beim Mainzer ZDF als leitender Buchhalter gearbeitet. Zuvor war er beim ‚Freien Fernsehen‘ in Eschborn tätig, dass man auch gerne Adenauer-Fernsehen nannte, weil der damalige Bundeskanzler Adenauer sich und die CDU bei der Kontrolle der ARD im Nachteil sah, da die Kontrolle von den Bundesländern über eigene Rundfunkanstalten ausgeübt wurde. Ihm und seiner Exekutive waren da die Hände gebunden. Deshalb ließ Adenauer, der sich schon als Oberbürgermeister in Köln die Macht des Rundfunks erkennt, hatte 1960 die privatrechtliche Deutschland-Fernsehen-GmbH gründen. Das blieb nicht ohne Gegenmaßnahmen der SPD-geführten Bundesländer Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Hessen, die mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Adenauers Pläne blockierten. Die Folge war das dann 1962 gegründete ZDF mit dem Adenauers über seinen Bundesminister, den Ex-Nazi Gerhard Schröder als „Zentralist“ gerne die Macht der Bundesländer gerne beschnitten hätte.

Ebert war beim Freien Fernsehen in der Personalabteilung für die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung zuständig. Als die Zeichen auf Auflösung standen und die Mitarbeiter sich schon auf eine neue Arbeitssuche eingestellt hatten, kam der oberste Chef ins Büro und kündigte eine Besprechung im kleinsten Kreis nach Dienstschluss an, an der nur vier Mitarbeiter aus Verwaltung und Buchhaltung teilnehmen sollten. Anfangs glaubte Ebert an einen Scherz, als dieser bei dem Treffen erzählte, er hätte einen Anruf einer Bonner Behörde, die geänderte Arbeitsverträge per Kurier avisierte, laut derer den Mitarbeitern bisher unbekannte Abfindungen zustünden. Alles sei juristisch unanfechtbar, aber alle Beteiligten müssten sich zu Stillschweigen verpflichteten. Als Gegenleistung hatte Bonn eine nahtlose Übernahme beim ZDF in Aussicht gestellt. Bonn erwartete eine Entscheidung binnen eines Tages.

Ebert Senior und die anderen erkannten, das die ganze Angelegenheit nicht sauber war, waren aber schon durch den zurückliegenden Krieg Pragmatiker genug, um den Beschluss aus Bonn nicht weiter zu hinterfragen und den Deal nach einer durchdiskutierten Nacht anzunehmen und sich damit zu Komplizen zu machen.

Als Ebert junior nach Kohls Tod 2017 im Spiegel den Artikel über die schwarzen Kassen las, kamen die Erinnerungen an das Gespräch 1989 wieder hoch und plötzlich wurden die Informationen seines Vaters greifbarer. Es zeigte sich damit, dass die "Flick"-Affäre um verdeckte Parteispenden im Jahr 1980, die für viel Aufregung sorgte, da man vermutet, dass der Flick-Konzerns mit Zahlungen Entscheidungen des Bundeswirtschaftsministeriums zu seinen Gunsten beeinflusste, nur die Spitze des Eisberges einer zu tiefst in Betrügereien verwickelten Union war, mit denen man die Gelder der Steuerzahler zu eigenem Zwecken einsetzt. Ebert Senior wusste, wovon er dem Filius erzählte, denn er war an wichtiger Stelle darin verwickelt. Eberts folgenden Recherchen lassen stark an der Bereitschaft zu Ehrlichkeit bei der sich als christlich tarnenden Volkspartei zweifeln, denn mithilfe eines fein verzweigten Systems hat man schon seit Jahrzehnten die schwarzen Kassen der größten Volkspartei prall gefüllt. Schon bei Adenauer war die verlogene Korruption zahlreicher Ex-Nazis in der CDU greifbar.

Dass es mit der Abwahl Kohls zu einem Ende der Korruption und Unehrlichkeit in der Union gekommen ist, werden wohl nur diejenigen glauben, bei denen auch die jungfräuliche Empfängnis Marias kein Stirnrunzeln hervorruft. Man schaue nur auf den neuen Kanzlerinteressenten Friedrich Merz, der mit seinem Aufsichtsratsvorsitz im deutschsprachigen Blackrock-Geschäft ein wahrer Profi bei der moralisch fragwürdigen Umgehung von Steuern ist, was mancher wegen der von Blackrock betriebenen Cum-Ex-Geschäfte, bei denen Kapitalertragssteuern zurückgefordert werden, die nie bezahlt wurden, als kriminell bezeichnen würde, was aber dank der Verstrickung und Nachsichtigkeit der Mächtigen in der Bundesregierung nicht durch Gesetze unterbunden wird. Ein perverses Denken. CDU-Ex-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte die Deals als „illegitim, aber nicht illegal“ bezeichnet. Blackrock ist als weltgrößter Verwalter eines Vermögens von 6,4 Billionen US-Dollar mächtiger als viele Staaten. Blackrock-Gründer Larry Fink ist bekannt dafür, lokale Aufsichtsgremien zu nutzen. Natürlich geht es auch darum jemanden zu haben, der bei der Politik die Tür für Gespräche öffnen kann.

Karl-Heinz Ebert, Die Beichte meines Vaters über die Herkunft des Bimbes – Die schwarzen Kassen der CDU, Westend-Verlag, Hardcover, 160 Seiten, ISBN 978-3864892820, 18 Euro

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